Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
Rz. 132
Die §§ 312c–312g BGB enthalten Sonderbestimmungen für Verträge im Fernabsatz. Diese Sonderbestimmungen finden ihre Rechtfertigung in dem Umstand, dass der Verbraucher seinem Vertragspartner beim Fernabsatz nicht physisch begegnet und den Vertragsgegenstand nicht vor Abschluss des Vertrags begutachten kann. Im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie wurden die Bestimmungen zum Fernabsatzvertrag und zum außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag weitgehend vereinheitlicht.
1. Rechtliche Grundlagen
Rz. 133
§ 312c BGB normiert den Anwendungsbereich der Vorschriften zum Fernabsatz. Schlüsselbegriff ist der Fernabsatzvertrag. Nach der Legaldefinition in § 312c Abs. 1 BGB sind Fernabsatzverträge alle Verträge über Waren und Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems zustande kommt.
a) Anwendungsbereich – Fernabsatzvertrag
aa) Vertragsparteien
Rz. 134
Es werden nur Fernabsatzverträge erfasst, an denen ein Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) auf Seiten des Lieferers und ein Verbraucher (§ 13 BGB) auf Seiten des Abnehmers beteiligt sind. Unternehmer ist auch jemand, der nebenberuflich bei eBay planmäßig mit Wiederholungsabsicht Waren veräußert. Für den Unternehmer kann gem. § 312c Abs. 1 BGB auch ein Dritter in seinem Namen oder Auftrag handeln.
bb) Fernkommunikationsmittel
Rz. 135
Der Vertrag muss gem. § 312c Abs. 1 BGB mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln zustande kommen. Fernkommunikationsmittel sind nach der Legaldefinition des § 312c Abs. 2 BGB alle Kommunikationsmittel, welche zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrages ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können. Neben Briefen, Katalogen, Telefonanrufen, Telekopien, SMS, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste kommen jedwede andere Kommunikationsmittel in Betracht; die gesetzliche Aufzählung ist nicht abschließend. Gleichgültig ist, ob die Vertragspartner gleiche oder unterschiedliche Fernkommunikationsmittel nutzen.
cc) Ausschließliche Verwendung der Fernkommunikationsmittel
Rz. 136
Der Vertrag muss unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden (§ 312c Abs. 1 BGB), dh sowohl Vertragsangebot (§ 145 BGB) als auch -annahme (§§ 147 ff. BGB) müssen durch Fernkommunikationsmittel abgegeben worden sein. Entgegen der Wertung der §§ 147 ff. BGB stellt § 312c BGB nicht darauf ab, ob die Parteien unmittelbar miteinander kommunizieren können, sondern darauf, ob sie am selben Ort anwesend sind oder ob ein "Distanzgeschäft" vorliegt. Ein Fernabsatzvertrag liegt demnach nicht vor, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt ein Mittel der Direktkommunikation eingesetzt worden ist, z.B. der Besuch im Ladenlokal des Unternehmers. Da die Phase der Vertragsanbahnung in die Bewertung einzubeziehen ist, ergeben sich Abgrenzungsprobleme, wenn die Vertragsparteien oder ihre Vertreter vor Vertragsschluss persönlichen Kontakt hatten, bspw. weil der Verbraucher den Unternehmer vor Vertragsschluss in dessen Ladenlokal aufsuchte, der Kaufvertrag anschließend aber über den Internetshop des Unternehmers zustandegekommen ist. In derartigen Konstellationen ist zu prüfen, ob der Unternehmer den Verbraucher während des persönlichen Kontakts über alle für den Vertragsschluss wesentlichen Umstände aufgeklärt hat und ob zwischen dem persönlichen Kontakt und dem späteren Vertragsabschluss (noch) ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht. Ist dies zu bejahen, scheidet die Anwendung der Fernabsatzvorschriften aus. Dagegen sind die Bestimmungen des Fernabsatzes anwendbar, wenn im Rahmen des persönlichen Kontakts keine Informationen über den Vertragsinhalt oder die Beschaffenheit der Kaufsache erteilt werden konnten, beispielsweise weil sich der Unternehmer eines Boten bediente, der keine näheren Auskünfte erteilen kann. Die Beweispflicht für den früheren persönlichen Kontakt und die Information an den Verbraucher liegt beim Unternehmer.
Die Anzeige auf der Internetplattform "ebay-Kleinanzeigen" stellt (noch) kein Angebot auf Abschluss eines Vertrages im Wege des Fernabsatzes dar. Im Unterschied zur Verkaufs- und Auktionsplattform "ebay" bietet die Plattform "ebay-Kleinanzeigen" keine technischen Möglichkeiten zum unmittelbaren fernkommunikativen Vertragsabschluss.