Dr. Jessica Hanke, Katja Schmitz
1. Typische Sachverhalte
Rz. 158
Frau Grün bot in einem Online-Auktionshaus ein Teeservice zum Verkauf an. Die Annonce wurde in der Rubrik "Kunst und Antiquitäten eingestellt und mit den Worten "Echt Silbernes Teeservice!! Neu!! TOP QUALITÄT" beworben. Herr Schwarz ersteigerte das Service zu einem Preis von 89,90 EUR. Frau Grün übersendete Herrn Schwarz nach Überweisung des Kaufpreises und der Versandkosten die Ware. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die gelieferte Ware nicht aus Silber ist, verlangte Herr Schwarz Nacherfüllung, die jedoch Frau Grün verweigerte. Sie behauptete, das Angebot nach bestem Wissen und Gewissen erstellt zu haben. Das Service sei ein Geschenk ihrer Mutter, die wiederum erzählt habe, es bestehe aus Silber. Herr Schwarz will nun Schadensersatz; er weiß, dass das Service einen Wert von 6.800 EUR hätte, wenn es tatsächlich aus echtem Silber wäre. Frau Grün weigert sich."
Rz. 159
Bert Bau bot seinen Minibagger über eBay zum Kauf an. Ohne einen Mindestpreis anzugeben, wählte er einen Startpreis von 1 EUR und eine Auktionsdauer von sieben Tagen. Im Rahmen eines Besichtigungstermins wies Herr Bau darauf hin, dass er von einem Händler erfahren habe, dass der Minibagger noch einen Wert von ca. 5.500 EUR habe. Vor diesem Hintergrund werde er den Minibagger nicht unter 3.000 EUR verkaufen. Ca. eine Stunde vor Auktionsende beendete Herr Bau, dem bei dem niedrigen Höchstgebot kurz vor Auktionsende nicht wohl war, die Auktion – wie in den eBay-AGB beschrieben – unter Hinweis auf einen Irrtum über eine maßgebliche Beschaffenheit des Fahrzeugs. Carl Clever, der zu diesem Zeitpunkt mit einem Gebot i.H.v. 791 EUR Höchstbietender war, verlangt die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung von 791 EUR; Herr Bau lehnt dies definitiv ab.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 160
Gegenstand rechtlicher Streitigkeiten sind häufig Verträge, die über sog. Internetauktionen, vor allem "eBay", zu Stande kommen. Die verwendeten Begriffe "Auktion", "Bieter" und "Gebot" sind irreführend, haben sich umgangssprachlich gleichwohl etabliert und werden daher auch im Folgenden verwendet. Rechtlich sind derartige Verträge allerdings als Kaufverträge zu qualifizieren, weil es an einem Zuschlag i.S.d. § 156 BGB fehlt.
a) Abschluss des Kaufvertrags
Rz. 161
Der Abschluss von Kaufverträgen über eBay richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen über das Zustandekommen von Verträgen, den kaufrechtlichen Besonderheiten und den eBay-AGB. Diese AGB muss jeder, der eBay nutzen möchte, zuvor akzeptieren und macht diese somit zum Inhalt des Vertrages. Das Zustandekommen eines Vertrages ist davon abhängig, welche der von eBay angebotenen Verkaufsvarianten ("Auktion", "Sofort-Kauf", "Auktion mit Sofort-Kauf-Option", "Multiauktion" oder "Preis vorschlagen") der Verkäufer ausgewählt hat.
aa) Auktion
Rz. 162
Im Rahmen der Verkaufsvariante "Auktion" bestimmt der Verkäufer einen Startpreis, ggf. einen Mindestpreis und eine Angebotsdauer, binnen derer sein Angebot angenommen werden kann. Der Verkäufer gibt mit Freischaltung der von ihm eingerichteten Angebotsseite ein Angebot – nicht bloß eine invitatio ad offerendum – ab. Das Angebot richtet sich an denjenigen, der die Annahme wirksam erklärt. Die wirksame Annahme des Angebots erfolgt durch Abgabe eines Gebots mittels der von eBay zur Verfügung gestellten Internetmaske. Ein abgegebenes Gebot erlischt, wenn ein anderer Interessent ein höheres Gebot abgibt. Der Vertrag kommt mit demjenigen zustande, der bei Ablauf der Angebotsfrist oder vorzeitiger Beendigung Höchstbietender ist.
bb) Auktion mit Sofort-Kauf-Option
Rz. 163
Die "Auktion mit Sofort-Kauf-Option" ergänzt die Auktion um die Möglichkeit, den Artikel zum angegebenen Festpreis sofort zu erwerben (siehe hierzu Rdn 165). Wird diese Möglichkeit ausgeübt, findet keine Auktion statt. Allerdings steht die Option nur bis zur Abgabe des ersten Gebots oder – solange abgegebene Gebote unter dem Mindestpreis liegen – nur bis zum Erreichen des festgelegten Mindestpreises zur Verfügung. Im Übrigen verhält es sich wie bei der Auktion.
cc) Multiauktion
Rz. 164
Die "Multiauktion" unterscheidet sich von der Auktion allein durch die Anzahl der angebotenen (gleichen) Artikel. Neben dem Gebot muss der Bieter auch die Anzahl der gewünschten Artikel angeben. Höchstbietende erhalten immer die gewünschte, höchstens aber die angebotene Menge an Artikeln. Ist die gewünschte Menge kleiner als die angebotene Menge, werden unterlegene Bieter berücksichtigt.