Dr. iur. Klaus Rinck, Dr. iur. Rupert Czinczoll
Rz. 4
Mangels formeller Beschwer ist es dem im Kündigungsschutzprozess obsiegenden Arbeitnehmer verwehrt, nur deshalb Berufung einzulegen, um in der 2. Instanz erstmals einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG zu stellen (zur Möglichkeit der Anschlussberufung siehe auch Rdn 113 f.). Auch kann der Arbeitnehmer, dessen Auflösungsantrag stattgegeben worden ist, nicht Berufung einlegen, nur um den eigenen Auflösungsantrag wieder zurückzunehmen und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu erreichen. Eine Partei ist auch nicht allein deshalb beschwert, weil bei von beiden Seiten gestellten Auflösungsanträgen das Gericht das Arbeitsverhältnis auf Antrag der anderen Partei auflöst.
Rz. 5
Zwar führt ein Auflösungsantrag nach zutreffender Auffassung nicht zu einer Streitwerterhöhung. Eine Beschwer liegt jedoch vor, wenn ein Auflösungsantrag schon dem Grunde nach abgewiesen wird. Gleiches gilt im umgekehrten Fall für die Partei, die sich gegen einen gegnerischen Auflösungsantrag gewehrt und verloren hat. Bleibt das Arbeitsgericht bei einem Auflösungsantrag hinter einem vom Arbeitnehmer angegebenen Mindestbetrag zurück oder überschreitet es – bei arbeitgeberseitigem oder beidseitigem Auflösungsantrag – eine vom Arbeitgeber genannte Höchstabfindungssumme, ist ebenfalls die notwendige Beschwer zu bejahen, soweit die Differenz zwischen beantragter und ausgeurteilter Abfindung 600 EUR übersteigt (§ 64 Abs. 2b ArbGG).
Rz. 6
Hat die Partei bei ihrem erstinstanzlichen Auflösungsantrag keinerlei bezifferte Vorstellungen über einen von ihr akzeptierten Mindestbetrag (Arbeitnehmer) oder Höchstbetrag (Arbeitgeber) geäußert und hält sie die sodann im Auflösungsurteil ausgeurteilte Abfindung für zu niedrig oder zu hoch, ist ihre Beschwer allerdings zu verneinen. Hängt die Festsetzung eines mit der Klage erstrebten Geldbetrages von der Ausübung billigen Ermessens durch das Gericht ab, lässt die höchstrichterliche Zivilrechtsprechung zwar ausnahmsweise unbezifferte Zahlungsanträge zu. Zur Kompensation wird aber u.a. gerade verlangt, dass der Antragsteller in seiner Klagebegründung die Größenordnung seiner Vorstellungen, z.B. in Form eines Mindest- oder Höchstbetrags, angibt. Diese Vorstellungen dienen sodann auch der Bestimmung der formellen Beschwer bei der Rechtsmitteleinlegung. Unterlässt es der Antragsteller, sein Rechtsschutzziel in der gebotenen Weise zu konkretisieren, kann auch eine Beschwer nicht festgestellt werden.