Dr. iur. Klaus Rinck, Dr. iur. Rupert Czinczoll
Rz. 128
Die wichtigsten Spezialregelungen des ArbGG für das Berufungsverfahren, enthalten insbesondere in §§ 64–67 ArbGG, sind bereits im jeweiligen Sachzusammenhang behandelt worden. Ergänzend soll im Folgenden noch auf einige weitere Eigenheiten eingegangen werden.
a) Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht
Rz. 129
Die Möglichkeiten, den Rechtsstreit an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, sind durch § 68 ArbGG gegenüber § 538 ZPO erheblich eingeschränkt. Nach § 68 ArbGG ist nämlich eine Zurückverweisung wegen "eines Mangels im Verfahren" unzulässig. Das soll auch für schwerste Verfahrensmängel gelten, insbesondere auch, wenn ein sog. "Urteil ohne Gründe" (siehe Rdn 57) vorliegt, denn im Verhältnis LAG/Arbeitsgericht fehlt es auch an einer der Regelung des § 72b Abs. 5 ArbGG entsprechenden Norm. In diesem Verhältnis hat die Zurückverweisung daher – anders als im Verhältnis BAG/LAG – kaum praktische Bedeutung.
Rz. 130
Eine Ausnahme zu § 68 ArbGG wird grundsätzlich nur anerkannt, wenn der erstinstanzliche Verfahrensmangel eine prozessrechtswidrige Lage hervorruft, die fortdauert und im Berufungsverfahren nicht geheilt werden kann. Zunehmend gerät allerdings ins Blickfeld, dass durch § 68 ArbGG nur der Zurückverweisungsgrund des § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ausgeschlossen wird, während § 538 Abs. 2 Nr. 2–Nr. 7 ZPO auch im Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten anwendbar bleibt. Eine Zurückverweisung an das Arbeitsgericht ist dementsprechend – allerdings nur auf Antrag einer der Parteien! – möglich, wenn das Arbeitsgericht – jeweils zu Unrecht – einen Einspruch nach § 341 ZPO (Nr. 2) oder eine Klage als unzulässig verworfen (Nr. 3), bei einer Stufenklage die Klage insgesamt abgewiesen (Nr. 4 analog), ein zweites Versäumnisurteil erlassen (Nr. 6) oder entgegen § 301 Abs. 1 ZPO ein Teilurteil erlassen hat (Nr. 7). Zudem wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine Zurückverweisung bei Verkündung eines Urteils trotz Verfahrensunterbrechung nach § 240 ZPO gem. § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig sei, da die Sperre des § 68 ArbGG in diesen Fällen nicht greife. Auch das BAG kann einen Rechtsstreit ausnahmsweise noch an das Arbeitsgericht zurückverweisen, wenn dies schon das Landesarbeitsgericht hätte tun dürfen.
b) Säumnisverfahren
Rz. 131
Eine der wichtigsten Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens gilt auch für das Berufungsgericht: Gem. §§ 64 Abs. 7, 59 ArbGG beträgt die Notfrist für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil auch im Berufungsverfahren abweichend von §§ 539 Abs. 3, 339 Abs. 1 ZPO nur eine Woche.
c) Übertragung der Entscheidung auf den Vorsitzenden
Rz. 132
Während im Zivilprozess die Berufungskammer die Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen kann – vgl. § 523 Abs. 1 ZPO – werden aufgrund mündlicher Verhandlung zu treffende streitige Endentscheidungen im Urteilsverfahren vor dem LAG grundsätzlich immer von der Kammer getroffen. § 64 Abs. 6 S. 2 ArbGG besagt ausdrücklich, dass die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor dem Einzelrichter keine Anwendung finden.
Rz. 133
Auch die für das erstinstanzliche Verfahren in § 55 Abs. 3 ArbGG eröffnete Option, auf übereinstimmenden Antrag beider Parteien eine sog. Alleinentscheidung durch den Vorsitzenden herbeiführen zu können, gilt nicht für das Berufungsverfahren. § 55 Abs. 3 ArbGG wird von der Verweisungsnorm des § 64 Abs. 7 ArbGG nämlich explizit ausgenommen. § 55 Abs. 1 Nr. 1–11 ArbGG bleibt aber auch in der zweiten Instanz anwendbar. Demnach kann der Vorsitzende – außerhalb der streitigen Verhandlung – ohne die ehrenamtlichen Richter u.a. entscheiden im Fall von Klagerücknahme (Nr. 1), Anspruchsverzicht (Nr. 2), Anerkenntnis (Nr. 3) oder Säumnis (Nr. 4, 5), über die Aussetzung und Anordnung des R...