Dr. iur. Klaus Rinck, Dr. iur. Rupert Czinczoll
Rz. 25
Die Berufungsfrist beginnt im Regelfall mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten, also mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehenen Urteils an den potenziellen Berufungsführer. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Zustellung des vollständigen Urteils innerhalb von fünf Monaten nach der Urteilsverkündung erfolgt (ansonsten vgl. Rdn 29 ff.). Der Zeitpunkt der Übersendung des bloßen Verkündungsprotokolls ist dagegen stets irrelevant.
Rz. 26
Die Berufungsfrist beginnt allerdings nur dann zu laufen, wenn das zugestellte Urteil eine ordnungsgemäße Rechtsmittelbelehrung enthält, vgl. § 9 Abs. 5 ArbGG. Zu beachten ist aber, dass nach der Rechtsprechung des BAG zu den Fällen des fünf Monate nach Verkündung noch nicht zugestellten erstinstanzlichen Urteils § 66 Abs. 1 S. 2 ArbGG als Spezialnorm gegenüber § 9 Abs. 5 ArbGG verstanden wird (siehe Rdn 29 ff.).
Rz. 27
Nach der Rechtsprechung des BAG beginnt somit die Berufungsfrist auch dann spätestens fünf Monate ab der Urteilsverkündung zu laufen, wenn das mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehene Urteil vor Ablauf von fünf Monaten zugestellt wird, aber keine oder eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung enthält.
Die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung bleibt aber unabhängig davon für das Recht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung.
Rz. 28
Das arbeitsgerichtliche Verfahren erster Instanz zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass dort – ohne Streitwertbegrenzung nach oben – Verfahren von erheblicher existenzieller Bedeutung – insbesondere Kündigungsschutzverfahren – geführt werden, aber kein Zwang zur Vertretung durch rechtskundige Prozessbevollmächtigte besteht. Die Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung und die Sanktionierung ihrer Verletzung durch das Gericht ist daher gerade zum Schutz der erstinstanzlich nicht rechtskundig beratenen Parteien eingeführt worden. Dennoch darf sich grundsätzlich auch der Rechtskundige auf den Inhalt einer gerichtlichen Belehrung verlassen. Nur wenn die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich nicht geeignet ist, den Anschein der Richtigkeit zu erwecken, ist die Fristversäumnis als schuldhaft anzusehen.