Dr. iur. Klaus Rinck, Dr. iur. Rupert Czinczoll
Rz. 113
Die Anschlussberufung ist im Verfahren der Arbeitsgerichtsbarkeit unter denselben Voraussetzungen möglich wie im allgemeinen Zivilprozess. Eigenständige Bedeutung hat nur die unselbstständige Anschlussberufung. Eine Anschlussberufung ist zulässig bis zum Ablauf der dem Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung (§ 524 Abs. 2 S. 2 ZPO). Eine vom Gericht gewährte Verlängerung der Berufungsbeantwortungsfrist wirkt sich daher auch auf die Einlegungsfrist für die Anschlussberufung aus.
Rz. 114
Hat die Anschließung eine Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen (§ 323 ZPO) zum Gegenstand, entfällt die Frist sogar ganz (§ 524 Abs. 2 S. 3 ZPO).
Rz. 115
Die Anschlussberufung wird durch Einreichen einer sog. Anschlussschrift beim Berufungsgericht eingelegt. Eine nicht fristgerecht eingelegte Anschlussberufung ist in entsprechender Anwendung von § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Wurde der Berufungsbeklagte entgegen § 66 Abs. 1 S. 4 ArbGG nicht über die Berufungsbeantwortungsfrist belehrt, läuft auch die Frist für eine Anschlussberufung nicht. Einer Belehrung über die Möglichkeit der Anschließung als solcher bedarf es jedoch nicht.
Rz. 116
Die Anschlussberufung wird nicht als echtes Rechtsmittel angesehen, sondern nur als Möglichkeit, in das Berufungsverfahren des Gegners durch Stellen eigener Anträge einzugreifen. Deshalb setzt die Anschlussberufung keine eigene Beschwer voraus.
Rz. 117
Im Kündigungsschutzprozess kann sich somit die erstinstanzlich obsiegende Partei der Berufung des Gegners anschließen, um jetzt erstmals einen Auflösungsantrag zu stellen. § 9 Abs. 1 S. 3 KSchG ist hier auch gegenüber § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO lex specialis. Der Auflösungsantrag bleibt also bis zum Schluss der Berufungsverhandlung möglich. Nimmt der Gegner seine Berufung wieder zurück, wird der Auflösungsantrag allerdings unzulässig.
Rz. 118
Gem. § 524 Abs. 3 S. 1 ZPO muss die Anschlussberufung grundsätzlich in der Anschlussschrift begründet werden. Eine eigenständige Begründungsfrist i.S.v. § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG gibt es hier also nicht. Die Begründung kann jedoch noch bis zum Ablauf der Einlegungsfrist des § 524 Abs. 2 S. 2 ZPO ergänzt werden. Die Zulassung neuen Vorbringens zur Begründung der Anschlussberufung unterliegt denselben Grundsätzen wie bei der Berufung. Insbesondere gilt § 67 ArbGG.
Rz. 119
Auf die Anschlussberufung hin ist dem Gegner, also dem eigentlichen Berufungsführer, ausreichend Gelegenheit zum rechtlichen Gehör einzuräumen. Dies kann sachgerecht durch eine Schriftsatzfrist i.S.v. §§ 64 Abs. 7, 56 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG gewährleistet werden. Dagegen ist § 66 Abs. 1 S. 3 ArbGG auf die Anschlussberufung auch nicht entsprechend anwendbar. Eine gesetzliche "Anschlussberufungsbeantwortungsfrist" gibt es nicht.
Rz. 120
Gem. § 524 Abs. 4 ZPO verliert die Anschlussberufung kraft Gesetzes ihre Wirkung und kann in der Sache nicht mehr beschieden werden, wenn die Hauptberufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird. Wird die Hauptberufung zurückgenommen, treffen den Berufungskläger grds. auch die Kosten der von ihm zunichte gemachten Anschlussberufung. Ob der Anschlussberufungskläger in die Rücknahme der Berufung eingewilligt hatte, spielt dabei keine Rolle, da die Wirksamkeit der Rücknahme nicht von seiner Einwilligung abhängig ist.