Dr. iur. Klaus Rinck, Dr. iur. Rupert Czinczoll
I. Berufungsurteil
Rz. 149
Das mit Tatbestand und Entscheidungsgründen vollständig ausgefertigte Urteil des Berufungsgerichts ist – anders als das erstinstanzliche Urteil – auch von den ehrenamtlichen Richtern zu unterschreiben. Näheres über die Urteilsgestaltung regelt § 69 ArbGG. Auch ein Berufungsurteil, das nach Ablauf von fünf Monaten noch nicht vollständig abgefasst und unterschrieben zur Geschäftsstelle gelangt ist (vgl. Rdn 57 ff.), gilt als "Urteil ohne Gründe".
II. Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen das Berufungsurteil
1. Revision
Rz. 150
Das Rechtsmittel gegen ein streitiges Endurteil des Berufungsgerichts ist die in §§ 72 ff. ArbGG geregelte Revision. Es handelt sich in der Arbeitsgerichtsbarkeit um eine reine, vom Streitwert unabhängige, Zulassungsrevision. Gem. §§ 72 Abs. 1 S. 2, 64 Abs. 3a ArbGG ist die Zulassung der Revision in den Tenor des Berufungsurteils aufzunehmen.
Rz. 151
Zulassungsgründe sind gem. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG die sog. Divergenz sowie gem. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG ein Vorliegen eines der sog. absoluten Revisionsgründe aus § 547 Nr. 1–5 ZPO oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Rz. 152
Die neuen Zulassungsgründe des § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG beruhen nahezu ausschließlich auf Fehlerlagen, die aus der Sphäre des Gerichts stammen. Gelangte das Berufungsgericht rechtzeitig vor Erlass seines Urteils, in dessen Tenor die Entscheidung über die Revisionszulassung aufzunehmen ist, zu der Einsicht, dass einer der in § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG erwähnten Zulassungsgründe vorliegt, täte es schon aus Gründen der Prozessökonomie in aller Regel besser daran, den Prozess fortzusetzen und den Fehler abzustellen, sodass er sich auf ein späteres Berufungsurteil nicht mehr auswirken kann. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG ist daher für die Entscheidung über die Zulassung der Revision nicht von praktischer Relevanz.
Rz. 153
Jedoch liegt die Bedeutsamkeit dieser Vorschrift darin, dass nach § 72a Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ArbGG auch auf § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden kann (siehe Rdn 154 f.).
2. Nichtzulassungsbeschwerde und die Rechtskraft des Berufungsurteils
Rz. 154
Wird die Revision nicht zugelassen, kann die unterlegene Partei innerhalb eines Monats ab Zustellung des vollständigen Berufungsurteils gem. § 72a ArbGG beim BAG Nichtzulassungsbeschwerde einlegen, soweit sie durch die Nichtzulassung beschwert ist. Die Nichtzulassungsbeschwerde muss nicht zwingend in die Rechtsmittelbelehrung aufgenommen werden, da es sich nur um einen sog. Rechtsbehelf handelt. Dennoch tritt die Rechtskraft des Berufungsurteils frühestens mit Ablauf der Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde ein; denn diese hat gem. § 72a Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 5 ArbGG aufschiebende Wirkung. Nur deshalb kann dem für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits gestellten Weiterbeschäftigungsantrag auch in einem Berufungsurteil, in welchem die Revision nicht zugelassen wird, ggf. noch stattgegeben werden.
Rz. 155
Die Nichtzulassungsbeschwerde besitzt nicht nur aufgrund des Zusammenspiels mit § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG die Funktion einer Gehörsrüge gegenüber einem Berufungsurteil (vgl. Rdn 151 f.), sondern es sind auch die in § 72a Abs. 1 ArbGG a.F. enthaltenen erheblichen Einschränkungen entfallen, die einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache entgegenstanden.
3. Gehörsrüge nach § 78a ArbGG
Rz. 156
In Anlehnung an § 321a ZPO n.F. hat der Gesetzgeber, eine Vorgabe des BVerfG erfüllend, nunmehr wie in allen anderen Fachgerichtsbarkeiten auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit mit § 78a ArbGG den Rechtsbehelf der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs eingeführt. Die Rüge kann erhoben werden, wenn das Gericht beim Erlass einer Endentscheidung den Anspruch einer Partei auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat und gegen diese Entscheidung kein anderes Rechtsmittel oder kein anderer Rechtsbehelf gegeben ist. In den höheren Instanzen besteht für die Einlegung der Rüge Vertretungszwang.
Rz. 157
Gegenüber Urteilen des LAG in Bestandsschutzstreitigkeiten kommt die Anhörungsrüge des § 78a ArbGG nicht in Betracht; denn auch wenn die Revision nicht zugelassen worden ist, ist zumindest die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 72a ArbGG statthaft. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ein anderer Rechtsbehelf i.S.v. § 78a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Gerade weil sich die Nichtzulassungsbeschwerde auch auf den neuen Zulassungsgrund der entscheidungserheblichen Verletzung rechtlichen Gehörs gem. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG beziehen kann, übernimmt sie im regulären Urteilsverfahren vor dem LAG die Funktion der Gehörsrüge (vgl. Rdn 154 f.).
Rz. 158
Nur so...