Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 100
Möchte der Arbeitgeber im Voraus klären, wie bestimmte Zahlungen steuerlich zu behandeln sind, so steht ihm das Mittel der Anrufungsauskunft zur Verfügung. Nach § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Eine Lohnsteuerausrufungsauskunft kann z.B. vor oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages sinnvoll sein, um zu erfahren, wie das Finanzamt eine Abfindung beziehungsweise Entschädigung behandelt. Einen Anspruch auf gebührenfreie Auskunft haben sowohl der Arbeitgeber, der die Pflichten des Arbeitgebers erfüllende Dritte i.S.d. § 38 Abs. 3a EStG als auch der Arbeitnehmer. Zuständig für die Erteilung der Auskunft ist das Betriebsstättenfinanzamt; bei Anfragen eines Arbeitnehmers soll es jedoch seine Auskunft mit dessen Wohnsitzfinanzamt abstimmen. Das Finanzamt soll die Auskunft unter ausdrücklichem Hinweis auf § 42e EStG schriftlich erteilen und kann sie befristen. Das gilt auch, wenn der Beteiligte die Auskunft nur formlos erbeten hat (vgl. R 42e (1) LStR).
Rz. 101
Der Anfragende hat einen auch gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die Anwendung lohnsteuerrechtlicher Vorschriften. Der Arbeitgeber kann eine erteilte Anrufungsauskunft nach den allgemeinen Regeln anfechten und Verpflichtungsklage erheben, um eine Auskunft darüber zu erlangen, ob und inwieweit im Einzelfall Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Das Finanzgericht entscheidet dann auch über den Inhalt der Auskunft. Allerdings beschränkt sich die inhaltliche Überprüfung einer Lohnsteueranrufungsauskunft durch das Finanzgericht nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes darauf, ob die gegenwärtige rechtliche Einordnung des – zutreffend erfassten – zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist.
Rz. 102
Die Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG trifft lediglich eine Regelung dahin, wie die Finanzbehörde den vom Antragsteller dargestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gegenwärtig beurteilt. Demgemäß erschöpft sich der Inhalt des Widerrufs einer Lohnsteueranrufungsauskunft darin, dass das Finanzamt mitteilt, von nun an eine andere Auffassung als bisher zu vertreten. Die Wirkung eines Widerrufs einer Lohnsteueranrufungsauskunft geht damit nicht über die Negation des zuvor Erklärten hinaus. Vollziehbar sind jedoch nur solche Verwaltungsakte, deren Wirkung sich nicht auf eine reine Negation beschränken. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist daher nicht statthaft.
Rz. 103
Die Finanzbehörde kann – auch im Hinblick auf den vorläufigen Charakter – durch eine Anrufungsauskunft nicht zu einer Auskunft verpflichtet werden, die nicht der Auffassung der Finanzverwaltung entspricht. Eine umfassende inhaltliche Kontrolle oder die Klärung bislang "offener" bzw. umstrittener Rechtsfragen soll durch eine Anrufungsauskunft nach § 42e EStG gerade nicht ermöglicht werden.
Rz. 104
Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist schriftlich bei dem Finanzamt zu stellen, das bei Verwirklichung des Sachverhalts voraussichtlich zuständig sein würde.
Rz. 105
Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilende Auskunft Ermittlungen durchzuführen.
Rz. 106
In bestimmten Angelegenheiten werden keine verbindlichen Auskünfte erteilt, so beispielsweise dort, wo die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht, z.B. der Prüfung von Steuersparmodellen etc.
Rz. 107
Der Arbeitgeber kann mit einer Lohnsteueranrufungsauskunft sein Haftungsrisiko mindern. Für den Arbeitnehmer besteht ein Interesse an der Anrufungsauskunft, wenn es um die Höhe oder den Zeitpunkt des Lohnsteuerabzugs geht.
Rz. 108
Zuständig für die Erteilung der Auskunft ist das Betriebsstättenfinanzamt. Hat ein Arbeitgeber mehrere Betriebsstätten, hat das Finanzamt seine Auskunft mit den anderen Betriebsstättenfinanzämtern abzustimmen, soweit es sich um einen Fall von einigem Gewicht handelt und erkennbar ist, dass die Auskunft auch für die anderen Betriebsstätten von Bedeutung ist (vgl. R 42e (2) LStR).
Rz. 109
Die Auskunft bindet das Finanzamt, allerdings nur gegenüber demjenigen, der die Auskunft erbeten hat. Durch eine dem Arbeitgeber erteilte Auskunft ist das Finanzamt nicht gehindert, gegenüber dem Arbeitnehmer einen für ihn ungünstigeren Rechtsstandpunkt einzunehmen. Im Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers hat die Anrufungsauskunft in keinem Fall Bindungswirkung, selbst dann nicht, wenn sie durch den Arbeitnehmer angestrengt worden ist.
Rz. 110
Eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft (§ 42e EStG) stellt nicht nur eine Wissenserklärung (unverbindliche Rechtsauskunft) des Betriebsstättenfinanzamts darüber dar, wie im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Sie ist vielmehr feststellender Verwaltungsakt i.S. d...