a) Teilurteilsverbot
Rz. 19
Auch bei einer grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstandes darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist.
Rz. 20
Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder zumindest stellen kann ("Präjudizialität").
Rz. 21
Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung, sei es aufgrund neuen Vortrags, sei es aufgrund geänderter Rechtsauffassung, von bloßen Urteilselementen geht, die – wie beispielsweise ein Mitverschulden des Geschädigten oder die Kausalität einer Pflichtverletzung – weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht für das weitere Verfahren binden (§ 318 ZPO). Auch die letztgenannte innerprozessuale Bindungswirkung erstreckt sich nicht auf die Entscheidungsgründe.
Rz. 22
Ein Teilurteil darf folglich grundsätzlich nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des/der geltend gemachten prozessualen Anspruchs/Ansprüche vollständig unabhängig ist. Ein Teilurteil kann sich daher – anders als ein Grundurteil – nicht auf die Feststellung einer Anspruchsgrundlage, auf die Beurteilung bloßer Elemente einer Schadensersatzforderung (beispielsweise den Zeitraum der Erwerbsunfähigkeit) oder auf unselbstständige Rechnungsposten bei der Ermittlung des entgangenen Gewinns beschränken.
Rz. 23
Sofern sich die tragfähige Überzeugung (§ 287 ZPO) eines in jedem Falle entstandenen Mindestschadens bilden lässt, ist allerdings ein Teilurteil über diesen Betrag – ausnahmsweise – zulässig, selbst wenn bezüglich (nur) des übersteigenden Betrags zugleich die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet wird.
Rz. 24
Eine der Entscheidung durch ein Teilurteil entgegenstehende Gefahr des Widerspruchs zum noch ausstehenden Schlussurteil ist ferner nicht auf den Fall beschränkt, dass ein Teil eines prozessualen Anspruchs zur Entscheidung reif ist (§ 301 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ZPO). Auch die Entscheidung über einen von mehreren selbstständigen prozessualen Ansprüchen (§ 301 Abs. 1 S. 1 Var. 1 ZPO) kann eine solche Gefahr begründen. Dies setzt aber voraus, dass zwischen den prozessual selbstständigen Ansprüchen entweder eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind.
Rz. 25
Eine materiell-rechtliche Verzahnung selbstständiger prozessualer Ansprüche, die im Falle eines Teilurteils die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen mit sich bringt, kann zunächst bei subjektiver Klagehäufung bestehen, falls zu treffende Feststellungen für die Beurteilung der Haftung mehrerer Beklagter – auch einfacher Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO) – gleichermaßen entscheidungserheblich sind. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Belegarzt – wegen fehlerhafter Behandlung – und der Träger des Belegkrankenhauses – wegen Organisationsverschuldens – nebeneinander in Anspruch genommen werden, oder auch bei der Inanspruchnahme von Versicherungsnehmer und Haftpflichtversicherer: Bei streitgenössischer Inanspruchnahme von Führer (§ 18 Abs. 1 S. 1 StVG) und Halter (§ 7 Abs. 1 StVG) eines Kraftfahrzeugs sowie dessen Pflichtkrafthaftpflichtversicherer (§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG) kann grundsätzlich nicht vorab über die Ansprüche gegenüber einem von ihnen durch Teilurteil entschieden werden; nichts anderes gilt, sofern für die Bestimmung der Haftung eine Gesamtabwägung erforderlich ist. Jedenfalls dann, wenn eine Beweisaufnahme stattzufinden hat, darf sich das Gericht grundsätzlich nicht auf ein Prozessrechtsverhältnis beschränken und gleichzeitig über das andere vorab durch Teilurteil entscheiden. Denn die Beweise sind wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens nur einmal zu erheben und einheitlich frei zu würdigen, sodass unterschiedliche Ergebnisse gegen einzelne Streitgenossen ausgeschlossen sind.
Rz. 26
Eine Teilentscheidung ist bei einfachen Streitgenossen nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist; das trifft etwa dann zu, wenn das Teilurteil nur auf Gründen beruht, die ausschließlich – wie beispielsweise der (nur) insoweit fehlenden internationalen Zuständigkeit – den davon betroffenen Streitgenossen berühren. Ist ein Beamter wegen einer Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB) auf Leistung von Schadensersatz allein verklagt, so kann zwar, wenn eine anderweitige Ersatzmöglichkeit (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht auszuschließen ist, die Klage als (derzeit) unbegründet abgewiesen werden. Wird aber die Amtshaftungsklage wegen desselben Schadens mit der Klage gegen einen Dritten verbunden und ist die Frage, ob diesen eine Ersatzpflicht trifft, noch nicht entscheidungsreif, dann...