Rz. 38
Eine Ausnahme vom Teilurteilsverbot gilt, wenn in einem Rechtsstreit gegen mehrere einfache Streitgenossen das Verfahren gegenüber einem von ihnen unterbrochen wurde, soweit die übrigen Prozessbeteiligten keine prozessuale Möglichkeit haben, den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken. Dies ist beispielsweise bei der Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen eines beklagten Streitgenossen (§ 240 ZPO) oder bei dessen Tod (§ 246 ZPO) der Fall. Trotz der Gefahr, dass bei Fortsetzung des Prozesses eine abweichende Entscheidung ergehen kann, ist bezüglich des restlichen Teils ein Teilurteil zulässig, weil die Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung der Verfahren der Streitgenossen führt. Die Dauer der Unterbrechung ist ungewiss. Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die teilweise Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung im Übrigen nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung bei einem eventuellen teilweisen Fortgang des unterbrochenen Verfahrens besteht. Dieselben Erwägungen gelten, wenn ein Rechtsstreit nur über einen Teil der Ansprüche als Aktivprozess geführt wird und eine Aufnahme des als Passivprozess geführten anderen Teils während des Insolvenzverfahrens nicht möglich ist oder wenn der Gläubiger seine prozessualen Ansprüche durch die Aufnahme des Passivprozesses nur teilweise weiter verfolgen kann. Denn anderenfalls würde der Rechtsschutz des das unterbrochene Verfahren aufnehmenden Insolvenzverwalters oder auch des Schuldners oder dessen Prozessgegners ohne sachliche Rechtfertigung und der gesetzlichen Regelung (§§ 85 Abs. 2, 86 Abs. 1 InsO) zuwiderlaufend verkürzt.
Rz. 39
Eine – anfechtbare (§ 252 ZPO) – Aussetzung des Verfahrens genügt dagegen grundsätzlich nicht, um die sonst geltenden Beschränkungen für den Erlass eines Teilurteils außer Kraft zu setzen; denn bei einer – im Einzelfall auch auf übereinstimmenden Antrag der Parteien angeordneten – Aussetzung des Verfahrens fehlt es an einer mit einer Verfahrensunterbrechung auf Grund von Insolvenz oder Tod eines Streitgenossen vergleichbaren Situation.
Rz. 40
Das auf Wunsch der Parteien (§ 251 ZPO) oder im Falle des Nichtbetreibens (§ 251a Abs. 3 ZPO) angeordnete Ruhen bezüglich eines abtrennbaren Teils des Verfahrens steht einer Unterbrechung ebenfalls nicht gleich, da die dadurch eingetretene Verzögerung dem Willen der Parteien entspricht und von diesen jederzeit durch Aufnahme des Verfahrens beendet werden kann. Ein solches Ruhen erlaubt daher keine Ausnahme vom Teilurteilsverbot. Nichts anderes gilt für eine – prozessual ohnehin unverbindliche – "Absichtserklärung" des Gerichts, das Verfahren vor Rechtskraft des Teilurteils nicht weiter zu betreiben.
Rz. 41
Eine weitere Ausnahme erfährt das Teilurteilsverbot indessen bei der Stufenklage (§ 254 ZPO): Dort wird die Gefahr einander widersprechender Teilurteile über die auf den einzelnen Stufen geltend gemachten Ansprüche hingenommen. Dasselbe gilt, wenn der Stufenklage ein im Wege der Widerklage erhobener Anspruch oder der im Wege der Stufenwiderklage erhobenen Klage ein Anspruch gegenübersteht, der mit den durch die Stufenklage verfolgten Ansprüchen materiell-rechtlich verknüpft ist. Das Teilurteilsverbot findet hier keine Anwendung, da ansonsten im Ergebnis weder über die Klage noch über die Widerklage entschieden werden könnte. Denn einerseits dürfte über den Auskunftsanspruch – isoliert – wegen der Gefahr eines Widerspruchs zu der später zu treffenden Entscheidung über den vom Gegner des Auskunftsanspruchs erhobenen Zahlungsanspruch nicht entschieden werden. Andererseits darf auch nicht über die beiden zuvor genannten Ansprüche zusammen entschieden werden, weil dann ein Widerspruch zu der im weiteren Verfahren zu treffenden Entscheidung über den auf der letzten Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht auszuschließen wäre.
Rz. 42
Soweit speziell geregelte Auskunftsansprüche, die gerade dazu dienen, dem Geschädigten die zur Geltendmachung der ihm zustehenden (Haupt-)Ansprüche notwendigen Tatsachen zugänglich zu machen (beispielsweise im Rahmen der Gefährdungshaftung nach § 84a AMG, siehe oben § 26 Rdn 15), nicht im Wege der Stufenklage, sondern der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) verfolgt werden, gilt nichts anderes: Auch hier ist trotz materiell-rechtlicher Verzahnung ein Teilurteil zulässig. Dies gilt jedoch nicht, wenn im Wege der objektiven Klagehäufung zum einen ein – "normaler" – Auskunftsanspruch und zum anderen – mit einer selbständigen Leistungsklage – ein Mindestbetrag geltend gemacht wird, der zwar auf demselben Sachverhalt wie die begehrte Auskunft beruht, der Höhe nach aber nicht von dieser abhängt.