Rz. 88
Sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität gehören im Ausgangspunkt zum Grund des Anspruchs. In welchem Umfang die Kausalität im Grundurteil im Einzelfall abzuhandeln ist, entscheidet sich jedoch ebenfalls allein nach prozessökonomischen Erwägungen. Auf die systematische Unterscheidung, ob die Kausalität – als haftungsbegründend – dem strengen Beweismaß des § 286 ZPO oder – als haftungsausfüllend – den milderen Beweisanforderungen des § 287 ZPO unterliegt, kommt es dabei nicht entscheidend an. Maßgebender Gesichtspunkt für die Zulässigkeit des Grundurteils ist vielmehr, ob dieses ohne Feststellungen über die Schadensentstehung gleichwohl zu einer echten Vorentscheidung des Prozesses führt. Das hängt davon ab, ob wenigstens die hohe Wahrscheinlichkeit eines aus dem geltend gemachten Haftungsgrund resultierenden Schadens feststeht, sodass sich das Grundurteil nicht im Nachhinein, wenn die – insbesondere haftungsausfüllende – Kausalität im Betragsverfahren verneint werden muss, als ein lediglich die Erledigung des Rechtsstreits verzögernder und verteuernder Umweg erweist. Inwieweit die Einbeziehung der Kausalität in das Grundurteil geboten oder zumindest prozessökonomisch vertretbar ist, hängt schließlich wesentlich von der Natur des geltend gemachten Anspruchs ab.
Rz. 89
Bei den im Unfallhaftpflichtrecht relevanten deliktischen Schadensersatzansprüchen oder solchen aus Gefährdungshaftung gehört der Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Rechtsgutverletzung, also die haftungsbegründende Kausalität, stets zum Haftungsgrund.
Rz. 90
Auch die haftungsausfüllende Kausalität gehört zwar im Grundsatz zum Anspruchsgrund, wird jedoch zweckmäßigerweise oftmals in das Betragsverfahren verwiesen. Im Interesse der Prozessökonomie ist für den diesbezüglichen Ursachenzusammenhang nicht die unumstößliche Gewissheit von der Entstehung eines Schadens notwendig, sondern es reicht aus, wenn nach der Sachlage und dem regelmäßigen Verlauf der Dinge eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür gegeben ist, dass der Klageanspruch wenigstens in irgendeiner, im Einzelnen noch festzustellenden Höhe besteht.
Rz. 91
So kann bei einer einheitlichen, aus mehreren Einzelposten errechneten Schadensersatzforderung die Verpflichtung zum Schadensersatz dem Grunde nach festgestellt und dem Betragsverfahren die Prüfung vorbehalten werden, ob und inwieweit einzelne Schadensposten auf die schadenstiftende Handlung zurückzuführen sind. Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass die hohe Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass ein Anspruch besteht, wobei ausreicht, dass dies zumindest bezüglich eines Schadenspostens zutrifft.
Rz. 92
Etwas anderes gilt, wenn aus einer schädigenden Handlung mehrere selbstständige Ansprüche hergeleitet werden. Dann ist im Grundurteil die Feststellung der Kausalität des Schadensereignisses – mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit – für jeden Einzelanspruch notwendig.
Rz. 93
Eine Beschränkung der haftungsrechtlichen Einstandspflicht des Verantwortlichen auf bestimmte Schädigungen des Verletzten im Grundurteil ist zwar grundsätzlich möglich, kommt aber nur in Betracht, wenn zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, dass eine Haftung für weitere geltend gemachte Schädigungen in Betracht kommt.
Rz. 94
Ein Grundurteil kommt auch dann in Betracht, wenn zwar über die grundsätzliche Haftungsfrage bereits durch ein Feststellungsurteil entschieden ist, die Parteien aber in einem weiteren Rechtsstreit im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität nicht nur darüber streiten, ob dem Kläger überhaupt ein Schaden entstanden ist, sondern – falls ja – auch darüber, in welcher Höhe. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Streit zum einen darum geht, ob der Kläger ohne das schädigende Ereignis einen höher qualifizierten und dotierten Beruf ergriffen hätte, und zum anderen – nachfolgend – darum, welcher Erwerbsschaden sich daraus ergibt. Zwar betreffen beide Fragen die haftungsausfüllende Kausalität. Sie bedürfen aber selbstständiger tatsächlicher Feststellungen: Ist die erste Frage zu verneinen, kommt es auf die zweite nicht mehr an.
Rz. 95
Wenn verschiedene, einander hinsichtlich ihrer Auswirkungen oder eines möglichen Mitverschuldens nicht gleichwertige schadensursächliche Geschehensabläufe in Betracht kommen, dürfen weder Kausalität noch Mitverschulden (siehe hierzu unten Rdn 103 ff.) dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben.
Rz. 96
Bringt der Beklagte vor, es handele sich um einen gestellten Unfall und die geltend gemachten Schäden seien nicht sämtlich auf das behauptete Unfallgeschehen zurückzuführen, sondern das klägerische Fahrzeug habe nicht unerhebliche Vorschäden aufgewiesen, so scheidet ein Grundurteil unter Ausklammerung der Unfallbedingtheit der Schäden aus. Ansonsten bliebe – zunächst – offen, ob bewusst unrichtige Angaben zu Schadensumfang und -höhe gemacht wurden, was ein gewichtiges Indiz für die Annahme eines nur vorgetäuschten ...