Rz. 101
Sonstige Umstände, insbesondere auch Einwendungen und Einreden des Beklagten, können ausnahmsweise im Grundurteil ausgenommen und – aus prozessökonomischen Erwägungen – dem Betragsverfahren überlassen werden, wenn die ausgeklammerte Frage nach den Umständen des konkreten Falles allenfalls zu einer Minderung, nicht aber zu einer Beseitigung des Anspruchs führen kann. Einwendungen oder Einreden, die den Bestand oder die Durchsetzbarkeit des prozessualen Anspruchs insgesamt berühren, gehören dagegen grundsätzlich zum Grund des Anspruchs.
Rz. 102
Auch in solchen Konstellationen setzt der Erlass eines Grundurteils jedoch voraus, dass tatsächlich eine Vorentscheidung des Prozesses herbeigeführt wird und nicht die Gefahr besteht, dass sich der Erlass des Grundurteils nur als ein die Erledigung des Rechtsstreits verzögernder und verteuernder Umweg erweist. Unzulässig ist ein Grundurteil unter Vorbehalt von Einwendungen und Einreden ferner dann, wenn die Tatsachen für Grund und Höhe annähernd dieselben sind oder in einem so engen Zusammenhang stehen, dass die Herausnahme einer Grundentscheidung unzweckmäßig und verwirrend wäre.
Rz. 103
Die Prüfung eines Mitverschuldens oder einer mitwirkenden Betriebsgefahr (§ 254 Abs. 1 BGB, § 17 Abs. 1 StVG) kann dem Betragsverfahren vorbehalten werden, wenn das mitwirkende Verschulden des Geschädigten zweifellos nur zu einer Minderung, nicht aber zu einer Beseitigung der Schadenshaftung führen kann. Dies gilt auch für geltend gemachte Verstöße gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 BGB). Bereits mit dem Grundurteil muss jedoch über eine Mithaftung entschieden werden, wenn das Leistungsbegehren mit einer – einem Grundurteil nicht zugänglichen (siehe oben Rdn 62) – Feststellungsklage verbunden wurde; denn ein Feststellungsurteil, das unter dem Vorbehalt eines noch zu bestimmenden Mitverschuldens ausgesprochen wird, ist unzulässig (siehe oben Rdn 28).
Rz. 104
Auch hinsichtlich der Entstehung einzelner Schäden kann die Entscheidung über den Einwand eines mitwirkenden Verschuldens dem Betragsverfahren vorbehalten werden. Notwendig ist allerdings, dass klar ist, für welche Schadensposten der Einwand mitwirkenden Verschuldens in das Betragsverfahren verwiesen worden ist. Das muss aber nicht für jede einzelne Schadensposition in dem Urteil über den Grund des Anspruchs ausdrücklich ausgeführt werden. Vielmehr genügt es, wenn dieses Urteil die Schäden hinreichend kennzeichnet, gegen die noch im Betragsverfahren der Einwand mitwirkenden Verschuldens geltend gemacht werden darf.
Rz. 105
Ein Vorbehalt der Prüfung eines Mitverschuldens oder einer mitwirkenden Betriebsgefahr für das Betragsverfahren scheidet aber auch in den vorgenannten Fällen aus, wenn sich der Einwand nicht vom Grund der Haftung trennen lässt, weil sich beides – also die Haftung des Beklagten wie auch das Mitverschulden des Klägers – aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet, was beim Einwand eines Mitverschuldens bezüglich der Entstehung des Schadens (§ 254 Abs. 1 BGB) oftmals der Fall sein wird.
Rz. 106
Sofern der Einwand eines Mitverschuldens oder einer mitwirkenden Betriebsgefahr im Grundverfahren teilweise durchgreift, ergeht Grund- und Teilurteil, mit dem der Anspruch mit der entsprechenden Quote für begründet erklärt und im Übrigen abgewiesen wird.
Rz. 107
Bei einem Schmerzensgeldanspruch (§ 253 BGB) scheidet ein solches Vorgehen allerdings aus, da das Mitverschulden lediglich einen für die Bemessung des angemessenen Schmerzensgeldes relevanten Berechnungsfaktor darstellt. Insoweit kann das Grundurteil – unter Abweisung im Übrigen – lediglich feststellen, dass der Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist "mit Rücksicht auf ein Mitverschulden des Klägers von (…) %". Erstreckt sich die im Grundurteil ermittelte Quotierung – fehlerhaft – dennoch auch auf den immateriellen Schaden, führt dies allerdings nicht zu einer Bindung dahin, dass von einem ohne Mitverschulden als angemessen erachteten Schmerzensgeld nur noch der sich aus der im Grundurteil festgestellten Quote ergebende Teil zugesprochen werden darf.
Rz. 108
Kommt, weil mangels Verschuldensfähigkeit des Geschädigten (§§ 827, 828 BGB) ein Mitverschulden ausscheidet, nur eine spätere Schadensbeteiligung des Geschädigten aus Billigkeitsgründen (§§ 829, 254 BGB) in Betracht, so ist diese dem Schädiger ebenfalls im Grundurteil vorzubehalten.
Rz. 109
Eine vom Schädiger eingewandte Vorteilsausgleichung kann nur dann dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, wenn sie nicht zum vollen Haftungsausschluss führen kann.
Rz. 110
Ebenso kann die Entscheidung über die Verjährungseinrede dem Betragsverfahren vorbehalten bleiben, wenn sie sich nur gegen einen Teil des Klageanspruchs richtet und zu erwarten ist, dass dem Kläger aus dem übrigen Teil des Klageanspruchs im Nachverfahren ein Betrag zuzusprechen sein wird. Hindert die Verjährungseinrede dagegen die Durchsetzba...