Rz. 53
Ein Zwischenurteil über den Grund ist eine nur unter den im Gesetz abschließend genannten Gründen (§ 304 ZPO) zulässige Vorabentscheidung mit materiell-rechtlichem Inhalt, die den Prozess noch nicht beendet (siehe oben Rdn 1). Als Zwischenurteil erledigt das Grundurteil vielmehr lediglich Vorfragen. Durch es wird der geltend gemachte – prozessuale (siehe § 25 Rdn 133) – Anspruch weder ganz noch zum Teil aberkannt oder zuerkannt.
Rz. 54
Die Regelung entspringt prozesswirtschaftlichen Erwägungen und soll das Verfahren vereinfachen und verbilligen, indem sie eine Vorklärung des Grunds des Anspruchs und dessen Überprüfung im Instanzenzug ermöglicht und damit ggf. eine aufwendige Beweisaufnahme zur Höhe erspart. Dadurch können Fragen zum Grund des Anspruchs von den Problemen hinsichtlich seiner Höhe abgeschichtet werden, weil über letztere vielleicht später Einigkeit erzielt werden kann. Insbesondere in Haftpflichtsachen kommt es nicht selten vor, dass die Parteien nur an einer Entscheidung des Gerichts über den Grund interessiert sind und sich dann über die Höhe einigen und das Verfahren durch Vergleich oder übereinstimmende Erledigterklärung des Rechtsstreites in der Hauptsache beenden. Gelingt ein derartiger Abschluss allerdings nicht, kann die Aufspaltung in Grund- und Betragsverfahren mit den jeweiligen Rechtsmittelverfahren zu einem länger dauernden und teureren Gesamtprozess führen.
Rz. 55
An das Grundurteil schließt sich das sog. Betragsverfahren an, in dem über die Höhe des dem Grunde nach berechtigten Anspruch – einschließlich gegebenenfalls vorbehaltener Einwendungen des Beklagten (siehe unten Rdn 101 ff.) – entschieden wird. Das Gericht ist dabei an die zum Anspruchsgrund gemachten Feststellungen gebunden (siehe unten Rdn 163 ff.).
Rz. 56
Ein Grundurteil führt nicht zu einer dreißigjährigen Verjährung (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB) des streitgegenständlichen Anspruchs, weil es nur den Haftungsgrund, nicht aber den eingeklagten Anspruch feststellt und insoweit keine materielle Rechtskraft schafft.
Rz. 57
Ein Grundurteil kann auch im Adhäsionsverfahren durch das Strafgericht erlassen werden (siehe hierzu unten § 32 Rdn 1 ff.). Das Betragsverfahren findet in diesem Fall jedoch vor dem zuständigen Zivilgericht statt (§ 406 Abs. 3 S. 4 StPO).
Rz. 58
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils über die Feststellung der Schadensersatzpflicht (§ 256 ZPO) reicht erheblich weiter als die eines Grundurteils. Denn sie bindet die Parteien hinsichtlich aller Schäden, die aus dem mit der Klage geltend gemachten Schadensereignis entstanden sind bzw. noch entstehen werden. Einwendungen gegen den Grund des Anspruchs, insbesondere auch ein eventuelles Mitverschulden des Geschädigten, dürfen daher im Feststellungsurteil – anders als beim Grundurteil (siehe unten Rdn 103 ff.) – nicht offen bleiben. Ist eine Schadensersatzverpflichtung durch Feststellungsurteil rechtskräftig festgestellt, so kann in einem späteren Verfahren über die Höhe des Schadens ein Mitverschulden nicht mehr geltend gemacht werden.