1. Einleitung des Betragsverfahrens
Rz. 161
Angesichts des Zwecks des Grundurteils, vor verbindlicher Klärung des Grundes des Anspruchs im Nachhinein überflüssige Beweisaufnahmen zu dessen Höhe zu vermeiden, findet das Betragsverfahren im Regelfall erst nach formeller Rechtskraft des Grundurteils statt. Die Verkündung des Grundurteils führt zu einem tatsächlichen Stillstand des Verfahrens, da es eines Antrags einer Partei bedarf, wenn eine Verhandlung über den Betrag bereits vor Eintritt der Rechtskraft erfolgen soll (§ 304 Abs. 2 Hs. 2 ZPO). Lehnt das Gericht einen solchen Antrag ab, so kann dies mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (§ 252 ZPO analog). Gegen einen Beschluss, der auf entsprechenden Antrag anordnet, dass über den Betrag zu verhandeln ist, findet eine Beschwerde aber nicht statt.
Rz. 162
Nach Eintritt der Rechtskraft des Grundurteils ist von Amts wegen ein Termin zur Fortsetzung des Verfahrens zu bestimmen. Ein Auslaufen der durch die Erhebung der Klage eingetretenen Verjährungshemmung infolge Nichtbetriebs (§ 204 Abs. 2 S. 2 BGB) kommt daher nicht in Betracht.
2. Bindungswirkung des Grundurteils
Rz. 163
Ein Grundurteil wird zwar nur formell, nicht aber auch materiell rechtskräftig (§ 322 ZPO). Dennoch entfaltet es eine innerprozessuale Bindungswirkung im Betragsverfahren einschließlich des Rechtsmittelverfahrens (§§ 318, 512 ZPO). Der Grund des Anspruchs steht für das Betragsverfahren fest, ist in diesem nicht mehr zu prüfen und das Gericht darf selbst dann nicht von seiner früheren Entscheidung abweichen, wenn es inzwischen anderer Meinung ist. Dies gilt nach Erlass eines Grundurteils und Zurückverweisung der Sache auch für das Berufungsgericht in weiteren Berufungsverfahren. Die Bindungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob die betroffenen Umstände den Parteien vor dem Erlass des Grundurteils bekannt waren oder sie diese kennen mussten oder konnten (arg. § 767 Abs. 2 ZPO).
Rz. 164
Ihrem Umfang nach reicht die Bindungswirkung so weit, wie das erkennende Gericht den Streit der Parteien über den Anspruchsgrund tatsächlich entschieden hat. Hierfür ist nicht allein die Urteilsformel maßgeblich, vielmehr müssen zu ihrem Verständnis die Entscheidungsgründe mit herangezogen werden. Eine Bindung an Tatbestand und Entscheidungsgründe tritt insoweit ein, als sie den festgestellten Anspruch kennzeichnen, mithin dessen Inhalt bestimmen. Das Grundurteil hat für das Betragsverfahren Bindungswirkung, soweit es den Klageanspruch bejaht hat und dessen Höhe durch den anerkannten Klagegrund gerechtfertigt ist. Es legt fest, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände bereits – für die Parteien bindend – abschließend im Grundverfahren geklärt sind. Eine Bindung durch das Grundurteil besteht folglich (nur), soweit das Grundurteil bindende Feststellungen und bindende Entscheidungen von Streitpunkten treffen will, was – sofern kein ausdrücklicher Vorbehalt vorhanden ist (siehe oben Rdn 118 ff.) – durch Auslegung des Urteils zu ermitteln ist.
Rz. 165
Auch inkorrekten Grundurteilen kommt zwar bindende Wirkung zu. Diese beschränkt sich jedoch ebenfalls auf das, was festgestellt worden ist, und erstreckt sich nicht auf Streitpunkte, die richtigerweise hätten mitentschieden werden müssen. Vielmehr besteht in diesem Fall die Möglichkeit und die Notwendigkeit, im Betragsverfahren über den fehlerhafterweise vorbehaltenen Punkt zu befinden.
Rz. 166
Ist im Grundurteil beispielsweise nicht über die Kausalität entschieden worden, so kann sich der Kläger im Betragsverfahren nicht darauf berufen, dass die Fragen des Schutzbereichs der Norm und des Zurechnungszusammenhangs bereits zu seinen Gunsten entschieden seien, und zwar unabhängig davon, ob hierüber bereits im Grundurteil zu entscheiden gewesen wäre.
Rz. 167
Behält das Gericht dagegen die Frage eines Forderungsübergangs (siehe oben Rdn 84 f.) nicht hinreichend deutlich dem Betragsverfahren vor, so liegt im Erlass des Grundurteils dessen bindende Verneinung. Ein vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Grundverfahren erfolgter Übergang auf einen Dritten und damit der Wegfall der Sachbefugnis des Klägers kann im Betragsverfahren dann nicht mehr geltend gemacht werden.
Rz. 168
Ausführungen, die ausschließlich die Höhe des Anspruchs betreffen, sind jedoch im Grundurteil unzulässig und binden deshalb im Betragsverfahren nicht. Der Anschein einer Bindungswirkung, der von einem in unzulässiger Weise die Höhe des Schadens behandelnden Grundurteil ausgehen kann, rechtfertigt daher auch nicht die Zulässigkeit e...