Rz. 43
Das Schicksal des Urlaubsanspruchs bedarf sowohl im bei Vergleichsschluss beendeten als auch noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis besonderer Beachtung. Im beendeten Arbeitsverhältnis kann die Einigkeit darüber, dass der Arbeitnehmer keine Urlaubsansprüche mehr besitzt, beispielsweise wie folgt geregelt werden:
Rz. 44
Formulierungsbeispiele
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Der Kläger hat den ihm zustehenden Urlaub vollständig in Natur erhalten. |
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Der Urlaub ist in Natur eingebracht. |
Rz. 45
Die jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach der Arbeitnehmer auf seine Mindesturlaubsansprüche nicht verzichten könne, hat im Gefolge der durch Entscheidungen des EuGH verursachten Änderungen der Urlaubsrechtsdogmatik ebenfalls einen Wandel erfahren. Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt: Hatte der Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich die Möglichkeit, die Abgeltung des ihm zustehenden gesetzlichen Mindesturlaubs in Anspruch zu nehmen, und schließt er einen Vergleich mit einer Ausgleichsklausel, der zufolge sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis "erledigt" sind, erfasst diese grundsätzlich auch den Urlaubsabgeltungsanspruch. Der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung stehen weder § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG noch Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie entgegen. Das bedeutet für die Praxis, dass ein gesonderter Tatsachenvergleich über den Urlaub, wie in obigem Formulierungsbeispiel aufgeführt, bei Verwendung einer Ausgleichs- oder großen Erledigungsklausel aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht mehr erforderlich ist, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses beendet ist. Dagegen bleibt der Tatsachenvergleich notwendig, wenn eine zeitlich nach dem Vergleichsschluss liegende Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird. Sollen im beendeten Arbeitsverhältnis nicht alle Ansprüche erledigt werden, kann wie im Muster ein Tatsachenvergleich, aber aufgrund der genannten Rechtsprechungsänderung nunmehr auch eine allein auf den Urlaubsanspruch bezogene Vergleichsregelung mit rechtlichem Inhalt getroffen werden.
Steht nach übereinstimmender Auffassung der Parteien im beendeten Arbeitsverhältnis noch eine bestimmte Zahl von Urlaubstagen offen, sollte der Anwalt des Arbeitnehmers darauf drängen, dass die daraus resultierenden Urlaubsabgeltungsansprüche im Vergleich wie andere Zahlungsansprüche auch (siehe Rdn 33 ff.) geregelt, d.h., beziffert tituliert, werden. Wird dies unterlassen und in den Vergleich lediglich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses (ohne Vereinbarung einer großen Erledigungsklausel) aufgenommen, ist zu beachten, dass Urlaubsabgeltungsansprüche als reine Geldansprüche tariflichen oder einzelarbeitsvertraglichen Ausschlussfristen unterfallen (können) und somit rechtzeitig geltend gemacht werden müssen. Zu beachten ist hier insbesondere, dass der Streit der Parteien über die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu einer späteren Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung führt. Zudem stellt die Kündigungsschutzklage keine Geltendmachung i.S.d. Ausschlussfrist dar, weil der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht an den mit der Kündigungsschutzklage angestrebten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft, sondern mit der in § 7 Abs. 4 BUrlG geforderten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade das Gegenteil voraussetzt.
Rz. 46
Im noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis werden zum Teil Vergleiche geschlossen, in denen die Zahl der noch offenen Urlaubstage einschließlich der genauen Lage der Urlaubnahme in der Zeitspanne bis zum Kündigungsendtermin festgelegt wird. Oft erfolgt auch eine Freistellung für die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung auf die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers, wobei, wenn der Freistellungszeitraum die Urlaubstage abdeckt bzw. übersteigt, oft geregelt wird, dass die Urlaubsansprüche damit erfüllt sind. Beides schließt jedoch entgegen der Erwartung manches Arbeitgebers den späteren Anfall einer Urlaubsabgeltung – zusätzlich zu dem für die Freistellungszeit anfallenden Lohn – nicht zwingend aus. Es kommt vor, dass der Arbeitnehmer nach Abschluss des Vergleiches überraschend erkrankt und für die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses leider auch nicht wieder gesundet. Der Erholungszweck des Urlaubes kann während der Zeit der Krankheit nicht erreicht werden mit der Folge, dass die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers nicht in Natur erfüllt sind. Befürchtet der Arbeitgeber-Vertreter eine derartige Entwicklung, kann er – jedenfalls wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob noch Urlaub offensteht – versuchen, im Vergleichswege Einigkeit darüber zu erzielen, dass der Arbeitnehmer den ihm zustehenden Urlaub bereits zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses tatsächlich vollständig erhalten hat. Gleichzeitig bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die restliche Dauer des Arbeitsverhältnisses eine Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge an. Eine während der Freiste...