Rz. 66
Im Rahmen des Arbeitsverhältnisses oder im Zusammenhang damit kann eine Vielzahl weiterer Ansprüche der Parteien gegeneinander bestehen. Es wird davon abgesehen, hier zu den zahlreichen in Frage kommenden Regelungsgegenständen Musterformulierungen aufzuführen. Entscheidend ist, dass der Anwalt mit seinem Mandanten vor dem Eintritt in Verhandlungen nach Art einer Checkliste mögliche weitere Ansprüche durchgehen sollte. Dies können sein:
▪ |
Ansprüche des Arbeitnehmers auf Sonderleistungen jeder Art, wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Weihnachtsgratifikation, Jahressonderzahlung, 13. Monatsgehalt, Prämien, Provisionen usw.; |
▪ |
Aufwendungsersatzansprüche der Parteien gegeneinander; |
▪ |
Schadensersatzansprüche (meist des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, ggf. aber auch umgekehrt), insb. auch bislang unbekannte; |
▪ |
Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer auf Rückgabe eines zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeuges, Laptops, Handys oder von anderen Arbeitsgegenständen; |
▪ |
Ansprüche des Arbeitnehmers auf Herausgabe am Arbeitsplatz zurückgelassener eigener Arbeits- oder sonstiger Gegenstände; |
▪ |
Ansprüche des Arbeitnehmers auf betriebliche Altersversorgung; |
▪ |
Ansprüche aus Arbeitgeber- oder auch Arbeitnehmerdarlehen; |
▪ |
Ansprüche im Zusammenhang mit der Vermietung einer (Dienst-)Wohnung; |
▪ |
Regelungsnotwendigkeiten bezüglich eines im Arbeitsvertrag geregelten Wettbewerbsverbotes. |
Rz. 67
Praxishinweis
Soweit in der Verhandlung, in der der Vergleichsabschluss erfolgen soll, Unsicherheit besteht, inwieweit noch weitere Ansprüche bestehen, empfiehlt es sich, darauf zu dringen, dass lediglich der Rechtsstreit mit dem Vergleich erledigt wird. Damit erhält man sich die Möglichkeit, den betreffenden Regelungsgegenstand bei später aufkommenden Streitigkeiten einer gerichtlichen Klärung zuzuführen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine Partei, meist der Arbeitgeber, die Zustimmung zu einem Vergleichsabschluss oft davon abhängig macht, dass damit zwischen den Parteien alles erledigt ist (dazu sogleich). Es ist deshalb sinnvoll, rechtzeitig gründlich mit dem Mandanten abzuklären, ob noch weitere Ansprüche gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden sollen.
Rz. 68
Beabsichtigen die Parteien, ihre Rechtsbeziehungen in dem Vergleich abschließend zu regeln, ist eine sog. "Ausgleichs-, Abgeltungs- oder große (bzw. generelle) Erledigungsklausel" in den Vergleich aufzunehmen.
Rz. 69
Formulierungsbeispiele
Mit Durchführung und Erfüllung des Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien gegeneinander erledigt.
Damit sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt.
Rz. 70
Die Erledigungsklausel wird in der gerichtlichen Praxis oft auf die finanziellen Ansprüche begrenzt, da erfahrungsgemäß meist noch nicht alle Arbeitspapiere seitens des Arbeitgebers erteilt bzw. ordnungsgemäß ausgefüllt sind und der Arbeitgeber hinsichtlich der Ausstellung etwa noch fehlender Arbeitspapiere selbstredend weiterhin verpflichtet bleiben soll.
Es ist allerdings zu bedenken, dass bei einigen weiteren Ansprüchen darüber gestritten werden kann, ob sie "finanzielle" im Sinne der Klausel sind, z.B. bei Heraus- und Rückgabeansprüchen, bei Ansprüchen betreffend eine vermietete (Dienst-)Wohnung oder solchen bezüglich eines Wettbewerbsverbotes (siehe unten Rdn 76 ff.). Sollen mit der Klausel auch derartige Ansprüche erledigt und abgegolten sein, empfiehlt sich die Verwendung des zweiten Formulierungsbeispiels, das alle beiderseitigen Ansprüche umfasst. Im Anschluss an diese Klausel können dann immer noch einzelne Ansprüche von der Erledigung ausgenommen werden, wie z.B. solche auf Erteilung von Arbeitspapieren.
Rz. 71
Bei Verwendung einer "großen" Erledigungsklausel ist zu berücksichtigen, dass sie ihre Wirkung einbüßt, wenn sich im Vergleich Regelungen finden, die ihrem Inhalt zuwiderlaufen. So liegt es insbesondere, wenn die Parteien zugleich eine nicht näher begrenzte Regelung über eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur (ordnungsgemäßen) Abrechnung des Arbeitsverhältnisses (bis zu seinem Ende) sowie zur Auszahlung der sich zugunsten des Arbeitnehmers ergebenden Beträge treffen. Von einem Willen, einen umfassenden Anspruchsausschluss zu vereinbaren, kann nicht ausgegangen werden, wenn die Parteien vereinbart haben, dass neben den im Prozessvergleich ggf. ausdrücklich genannten noch weitere, nicht näher bezeichnete Ansprüche zu erfüllen sind.
Rz. 72
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Ausgleichsklauseln in gerichtlichen und außergerichtlichen Vergleichen und Aufhebungsverträgen im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen. Durch Vereinbarung einer Ausgleichsklausel wollen die Parteien i.d.R. das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen, gleichgültig, ob sie daran dachten oder nicht. Die Parteien müssen sich deshalb darüber im...