A. Einführung
Rz. 1
Arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten werden in vergleichsweise geringem Umfang durch streitiges Urteil beendet. In I. Instanz betrifft diese Art der Erledigung etwa 7 % aller Eingänge. Mehr als die Hälfte dieser Urteile wird einer zweitinstanzlichen Überprüfung zugeführt. Von den in II. Instanz anhängigen Verfahren wird wiederum deutlich weniger als die Hälfte streitig entschieden. Im Rahmen der nichtstreitigen Erledigungen bildet der Prozessvergleich die zahlenmäßig bedeutsamste Fallgruppe. Hinzu kommt, dass bei anderen Arten der nichtstreitigen Beendigung, beispielsweise der Klagerücknahme oder Erledigung durch sechsmonatiges Nichtbetreiben des Verfahrens, ein außerprozessual getroffener Vergleich als eigentliche Erledigungsursache im Hintergrund steht. In materiellrechtlicher Hinsicht gelten für die außerprozessuale vergleichsweise Einigung die gleichen arbeitsrechtlichen Regeln wie für den Prozessvergleich.
B. Prozessvergleich
I. Zustandekommen
Rz. 2
Der vor Gericht abgeschlossene Vergleich hat den Vorteil, Vollstreckungstitel zu sein (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Soweit der zu schließende Vergleich Regelungen beinhaltet, deren Inhalt vollstreckungsfähig ist und gegebenenfalls vollstreckt werden muss, werden die Parteien regelmäßig eine gerichtliche Protokollierung vornehmen lassen. Das kann im normalen Verfahrensgang in der Güte- oder Kammerverhandlung geschehen. Bei einer während des Verfahrens in außergerichtlichen Gesprächen gefundenen Einigung kann ein Termin zur Vergleichsprotokollierung von den Parteien beantragt werden.
Rz. 3
Gemäß § 278 Abs. 6 ZPO können die Parteien auch eine Protokollierung des Vergleichs im schriftlichen Verfahren vornehmen lassen. Dabei teilt eine der Parteien dem Gericht die gemeinsam ins Auge gefasste vergleichsweise Lösung mit. Das Gericht unterbreitet dann den Parteien einen Vergleichsvorschlag, wobei es in aller Regel die bereits mitgeteilten Vorstellungen zugrunde legen wird, und setzt eine Frist, binnen derer der Vorschlag von den Parteien schriftlich anzunehmen ist. Gehen beide Annahmeerklärungen fristgerecht ein, stellt das Gericht durch Beschluss fest, dass zwischen den Parteien ein Vergleich mit einem bestimmten, im Beschluss genau wiedergegebenen Inhalt zustande gekommen ist. Es ist aber auch eine einfachere Handhabung möglich – und in der Praxis mittlerweile gebräuchlicher –, bei der das Gericht lediglich den eingereichten Schriftsatz, der das ausformulierte Angebot zum Vergleichsschluss enthält, der anderen Partei zur schriftlichen Annahme übersendet und nach deren Eingang durch Beschluss das Zustandekommen des Vergleichs feststellt. Der Beschluss ist Vollstreckungstitel. Das Verfahren wird durch den Beschluss formell beendet. Neben Verfahrens- und Einigungsgebühr entsteht hierbei auch eine Terminsgebühr i.S.d. Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV, selbst wenn die Protokollierung erfolgt, ohne dass ein Gerichtstermin stattgefunden hat.
II. Inhalt
Rz. 4
Die Parteien können sich in ihrem Vergleich auf einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einigen. Meist können sich aber im Ergebnis beide eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses nicht vorstellen und vereinbaren daher eine Beendigung.
Rz. 5
Soll eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Arbeitsbedingungen geschehen, ist die Erklärung des Arbeitgebers, aus der Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten (sog. "Rücknahme" der Kündigung), der in der Praxis regelmäßig gewählte Weg. Der Arbeitnehmer wird dann seinerseits die Kündigungsschutzklage zurücknehmen oder den Rechtsstreit für erledigt erklären. Stattdessen kann aber ein Vergleichsschluss dann sinnvoll sein, wenn bestimmte Modalitäten der zukünftigen Fortführung des Arbeitsverhältnisses (z.B. Arbeitsort, Lage und Dauer der Arbeitszeit, Entlohnung) geregelt werden sollen oder wenn infolge der Kündigung Zeiten der Nichtbeschäftigung entstanden sind, bezüglich derer die Parteien einvernehmliche Regelungen treffen wollen (z.B. Anrechnung als Urlaub). Soll das Arbeitsverhältnis nach dem Vergleichsinhalt für einen befristeten Zeitraum fortgeführt werden (was ggf. auch dann der Fall sein kann, wenn die Kündigungsfrist über den gesetzlich oder vertraglich vorgegebenen Zeitraum hinaus verlän...