I. Überblick
Rz. 1
Familiensachen sind Zivilsachen, sodass sich die Gebühren grundsätzlich so berechnen wie in allgemeinen Zivilsachen. Einige Besonderheiten sind hier jedoch zu beachten. Zum einen gibt es spezielle familienrechtliche Verfahren, wie z.B. das Verfahren auf Festsetzung des Unterhalts Minderjähriger (§§ 249 ff. FamFG) oder das Vermittlungsverfahren nach § 165 FamFG. Daneben gibt es zahlreiche besondere Konstellationen, die nur in Familiensachen auftreten können, etwa das Verbundverfahren oder das einstweilige Anordnungsverfahren.
Rz. 2
Die Probleme, zunächst einmal die Anwendbarkeit des zutreffenden Gebührenrechts festzustellen, ergeben sich nicht mehr. Zwar differenziert das Gesetz – ähnlich wie früher ZPO-/FGG-Verfahren – immer noch – jetzt Familienstreitsachen/Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit; das RVG enthält für Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Familiensachen jedoch nur noch vereinzelt besondere Vorschriften (Nr. 3101 Nr. 3 VV, Anm. Abs. 2 Nr. 1 und 2 zu Nr. 3201 VV), nachdem jetzt auch für die Beschwerden gegen Endentscheidungen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Vorschriften des Berufungsverfahrens anzuwenden sind.
Rz. 3
Im Gegensatz zu dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht ergeben sich in den gerichtlichen Verfahren seitdem keine Probleme mehr bei der Ermittlung des zutreffenden Gegenstandswerts. Die Mehrspurigkeit GKG/ZPO/RVG/KostO ist beseitigt worden. Sämtliche Verfahrenswerte sind abschließend im FamGKG geregelt. Diese Werte gelten über die Verweisung in § 23 Abs. 1 S. 1 RVG entsprechend. Außergerichtlich gelten diese Werte grundsätzlich ebenfalls (§ 23 Abs. 1 S. 3 RVG). Lediglich in außergerichtlichen Angelegenheiten der vorsorgenden Rechtspflege sind über § 23 Abs. 3 RVG bestimmte Vorschriften des GNotKG anzuwenden.
II. Beratung
Rz. 4
Für die Beratung in Familiensachen ergeben sich keine Besonderheiten. Zu beachten ist insbesondere hier die Begrenzung bei einer Erstberatung nach § 34 Abs. 1 S. 3 RVG, da der Mandant hier grundsätzlich Verbraucher ist. Insoweit kann auf die Ausführungen zu § 6 verwiesen werden.
III. Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels
Rz. 5
Ist der Anwalt beauftragt, in Familiensachen zunächst die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, also einer Beschwerde oder Rechtbeschwerde, zu prüfen, gelten die Nrn. 2100 ff. VV. Auch insoweit ergeben sich keine Besonderheiten. Auf die Darstellung in § 7 kann insoweit verwiesen werden.
IV. Außergerichtliche Vertretung
1. Überblick
Rz. 6
Für die außergerichtliche Vertretung erhält der Anwalt in Familiensachen ebenfalls die Vergütung nach Nr. 2300 VV, also eine Geschäftsgebühr (0,5 bis 2,5). Auch insoweit ergeben sich bei den Gebühren keine Besonderheiten, sodass auf die Darstellung zu § 8 verwiesen werden kann.
Rz. 7
Die sog. Schwellengebühr nach Anm. Abs. 1 zu Nr. 2300 VV kommt zwar auch in Betracht, wird in Familiensachen aber eher die Ausnahme sein, da die Tätigkeiten des Anwalts hier in aller Regel umfangreich oder schwierig sind.
2. Ermittlung des Gegenstandswerts
Rz. 8
Problematisch kann hier die Ermittlung des Gegenstandswerts sein, wenn nach § 23 Abs. 1 S. 3 RVG auf den Wert eines entsprechenden gerichtlichen Verfahrens abzustellen ist, aber verschiedene gerichtliche Verfahren in Betracht kommen, also wenn der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit sowohl Gegenstand eines isolierten Verfahrens als auch einer Verbundfolgesache oder sogar einer einstweiligen Anordnung sein kann.
Beispiel 1: Außergerichtliche Umgangsrechtsregelung
Die Mandantin ist dringend auf eine kurzfristige einstweilige Umgangsregelung angewiesen. Sie beauftragt den Anwalt, zunächst außergerichtlich vorzugehen.
Denkbare Hauptsache i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG kann zum einen ein isoliertes Umgangsrechtsverfahren sein. Der Gegenstandswert richtet sich dann nach § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FamGKG (siehe Rdn 127 f.). Es gilt ein Regelwert von 4.000,00 EUR.
Das anzustrengende gerichtliche Umgangsrechtsverfahren kann aber auch Teil des Verbunds als Folgesache sein. Dann gilt nach § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG ein Regelwert in Höhe von 20 % des Werts der Ehesache, höchstens 4.000,00 EUR (siehe Rdn 196 ff.).
Da die Mandantin an einer dringlichen vorläufigen Regelung interessiert ist, kommt auch eine einstweilige Anordnung als gerichtliches Verfahren in Betracht. Es gilt dann nach §§ 41, 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FamGKG gegebenenfalls ein geringerer Wert (siehe Rdn 296 f.).
Rz. 9
Die Annahme des im Verbundverfahren geltenden Werts scheidet aus, weil § 44 Abs. 2 S. 1 FamGKG nur für den Verbund gilt und es außergerichtlich keinen Verbund gibt. Im Übrigen kommt es auf den Auftrag an. Soll der Anwalt eine endgültige Umgangsregelung durchsetzen, so ist vom vollen Wert des § 45 FamGKG auszugehen. Soll der Anwalt dagegen nur eine vorläufige Umgangsregelung erreichen, dann würde der Wert des Verfahrens einer einstweiligen Anordnung gelten, also der gegebenenfalls ermäßigte Hauptsachewert (§ 41 FamGKG) (siehe Rdn 287 ff.). In diesem Fall würde der Anwalt die Geschäftsgebühr allerdings erneut erhalten, wenn er dann auch hinsichtlich der endgültigen Regelung beauftragt wird (siehe Beispiel 2).
3. Vorläufige und endgültige Regelung
Rz. 10
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