Rz. 26
Abgesehen von der fehlenden oder fehlerhaften Kontrolle der für die Geringfügigkeit begrenzten Arbeitszeit dürfte es in der Praxis zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Einhaltung und Kontrolle der Geringfügigkeitsgrenze am häufigsten im Zusammenhang mit mehreren (geringfügigen) Beschäftigungsverhältnissen kommen. Da mehrere rechtlich voneinander getrennte Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber in aller Regel nicht möglich sind (dazu unten Rdn 40 f.), handelt es sich bei den sogenannten Zusammenrechnungsfällen stets um Situationen, in denen der (potenziell geringfügig entlohnte) Beschäftigte zeitgleich im Arbeitsverhältnis mit mehreren Arbeitgebern steht. Zu Ausnahmen für einzelne Zweige der Sozialversicherung siehe unten Rdn 38 f.
Rz. 27
Dabei sind – mit teilweise unterschiedlichen Rechtsfolgen – vier Fallgruppen anhand von Beispielen zu unterscheiden:
Rz. 28
Beispiele
1. |
Arbeitnehmer A steht in einem (nicht geringfügigen, sondern) sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Bei einem anderen Arbeitgeber verdient er sich 400 EUR im Monat dazu. |
2. |
Arbeitnehmer B steht ebenfalls in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Auch er verdient sich 400 EUR im Monat dazu, jedoch verteilen sich diese Einkünfte auf ein Nebenarbeitsverhältnis mit monatlich 300 EUR und ein anderes Nebenarbeitsverhältnis mit monatlich 100 EUR. |
3. |
Arbeitnehmer C hat kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Er verdient bei einem Arbeitgeber monatlich 300 EUR und bei einem anderen Arbeitgeber monatlich 100 EUR. |
4. |
Arbeitnehmer D hat ebenfalls kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Er verdient in einem Arbeitsverhältnis 500 EUR und in einem anderen Arbeitsverhältnis 100 EUR im Monat. |
Rz. 29
In allen vier Beispielsfällen stellt sich jeweils die Frage, ob die – teils mehreren – Arbeitsverhältnisse, in denen die Arbeitnehmer A, B, C und D für sich genommen weniger als 538 EUR im Monat (und damit unterhalb der aktuellen Geringfügigkeitsgrenze) verdienen, geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Sozialversicherungsrechts sein können oder nicht. Die Antwort auf diese Frage findet sich in den sachlich sehr komprimierten und nicht nur deshalb beim ersten Lesen kaum zu verstehenden Zusammenrechnungsvorschriften in § 8 Abs. 2 SGB IV. Die dortigen Regelungen lauten im Zusammenhang mit den beiden übrigen Absätzen des § 8 SGB IV:
Rz. 30
Der Wortlaut von § 8 SGB IV:
(1) Eine geringfügige Beschäftigung liegt vor, wenn
1. |
das Arbeitsverhältnis aus dieser Beschäftigung regelmäßig die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigt, |
2. |
die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt. |
[…]
(2) Bei der Anwendung des Absatzes 1 sind mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 oder Nummer 2 sowie geringfügige Beschäftigungen nach Nummer 1 mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung nach Nummer 1 und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen. Eine geringfügige Beschäftigung liegt nicht mehr vor, sobald die Voraussetzungen des Absatzes 1 entfallen. Wird beim Zusammenrechnen nach Satz 1 festgestellt, dass die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung nicht mehr vorliegen, tritt die Versicherungspflicht erst mit dem Tag ein, an dem die Entscheidung über die Versicherungspflicht nach § 37 des Zehnten Buches durch die Einzugsstelle nach § 28i Satz 5 oder einen anderen Träger der Rentenversicherung bekanntgegeben wird. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt hat, den Sachverhalt für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Beschäftigung aufzuklären.
[…]
(3) Die Absätze 1, 1a und 2 gelten entsprechend, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Dies gilt nicht für das Recht der Arbeitsförderung.
Rz. 31
Die Kernaussage in Absatz 2 lautet, dass mehrere geringfügige Beschäftigungen nach Nr. 1 oder Nr. 2 (geringfügig entlohnte Beschäftigung und kurzfristige Beschäftigung) sowie geringfügig entlohnte Beschäftigungen mit Ausnahme einer geringfügig entlohnten Beschäftigung und nicht geringfügige Beschäftigungen zusammenzurechnen sind. Der Satz wird allenfalls dann verständlich, wenn – wie vorstehend – eine Betonung auf dem hier kursiv gesetzten Wort "einer" liegt, das als Zahlwort, nicht als unbestimmter Artikel gemeint ist, und wenn man sich bewusst macht, dass zwei grundverschiedene und durch das Wort "sowie" getrennte Zusammenrechnungsfälle geregelt sind. Bis zu dem Wort "sowie" geht es um die Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen; anschließend geht es um die Zusammenzurechnung der geringfügigen Beschäftigung mit einer nicht geringfügigen (also regulär sozialversicherungspflichtigen) Beschä...