Rz. 72
Wie bereits einleitend konstatiert sind geringfügige Beschäftigungsverhältnisse rein arbeitsrechtlich ohne jene Besonderheit. Ungeachtet des – jedenfalls bei geringfügig entlohnten Beschäftigungen – vergleichsweise geringen zeitlichen Beschäftigungsumfangs handelt es sich um Teilzeitarbeitsverhältnisse wie jedes andere auch. Die Besonderheiten liegen in den lohnsteuerlichen und vor allem in den sozialversicherungsrechtlichen Folgen – weshalb sich die Grundnorm zur geringfügigen Beschäftigung richtigerweise in § 8 SGB IV und damit in den gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung findet.
I. Weitgehende Versicherungsfreiheit in der Sozialversicherung
Rz. 73
Auch wenn sich die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zur geringfügig entlohnten Beschäftigung von denjenigen zur kurzfristigen Beschäftigung unterscheiden, bestehen doch auch Gemeinsamkeiten. Am wichtigsten ist die Feststellung, dass der Beschäftigte in beiden Fallvarianten der geringfügigen Beschäftigung mit wenigen Ausnahmen im Grundsatz keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Sozialversicherung erwirbt.
1. Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung
Rz. 74
Mit Ausnahme von Beschäftigungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung, nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz besteht für geringfügig Beschäftigte Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, § 7 Abs. 1 S. 1 SGB V. Daraus folgt eine Versicherungsfreiheit auch in der sozialen Pflegeversicherung, § 20 Abs. 1 S. 1 SGB XI.
Rz. 75
Auch in der Arbeitslosenversicherung besteht Versicherungsfreiheit der geringfügig Beschäftigten, § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III. Eine geringfügige Beschäftigung kann ohne Kürzungen des Arbeitslosengeldes sogar neben einer Arbeitslosigkeit ausgeübt werden, weil sie schon wegen des Mindestlohns stets weniger als 15 Stunden je Woche umfasst, § 138 Abs. 3 S. 1 SGB III. Allerdings werden Einkünfte (auch aus einer geringfügigen Beschäftigung) auf das auf das Arbeitslosengeld angerechnet, wenn sie den Freibetrag von 165 EUR übersteigen, § 155 Abs. 1 S. 1 SGB III. Auch dann bleiben aber die ersten 165 EUR anrechnungsfrei (Freibetrag, nicht Freigrenze).
Rz. 76
Die Zusammenrechnung mehrerer Beschäftigungsverhältnisse nach § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV ist für das Recht der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen, § 27 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 SGB III. Dadurch bleiben mehr Beschäftigungsverhältnisse von der Arbeitslosenversicherung befreit als von den anderen Sozialversicherungszweigen. Ausdrücklich besteht allerdings nach § 27 Abs. 2 S. 2 SGB III für solche Personen keine Versicherungsfreiheit nach dem SGB III, die geringfügig beschäftigt sind
2. Ausnahme: Rentenversicherung
Rz. 77
Unterschiede zwischen den Typen geringfügiger Beschäftigung bestehen in der gesetzlichen Rentenversicherung: Denn auch insoweit besteht für zeitgeringfügig Beschäftigte i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV keine Versicherungspflicht, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI.
Rz. 78
Dagegen sind geringfügig entlohnte Beschäftigte seit dem 1.1.2013 in der Rentenversicherung grundsätzlich versicherungspflichtig. § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI enthält keine Ausnahme für geringfügig Beschäftigte und § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI nennt als versicherungsfrei lediglich die zeitgeringfügig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, nicht aber die entgeltgeringfügig Beschäftigten nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Das war früher anders geregelt; zur Übergangsregelung siehe unten Rdn 82 und 112.
Rz. 79
Entgeltgeringfügig Beschäftigte haben jedoch die in § 6 Abs. 1b SGB VI näher beschriebene Möglichkeit, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen – sog. Opt-out-Lösung. Hierfür bedarf es eines schriftlichen oder elektronischen Befreiungsantrags, der dem Arbeitgeber zugehen muss, § 6 Abs. 1b S. 2 SGB VI, der wiederum die zuständige Einzugsstelle im Rahmen seiner Meldung nach § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 11 SGB IV informiert. Der Antrag kann im Falle mehrerer geringfügiger Beschäftigungen nur einheitlich – also nicht für jede geringfügige Beschäftigung unterschiedlich – gestellt werden und ist für die Dauer dieser Beschäftigungen dann bindend, § 6 Abs. 1b S. 4 SGB VI. Der Arbeitnehmer kann seinen Befreiungsantrag also während der geringfügig entlohnten Beschäftigung nicht widerrufen. Er kann sich – anders formuliert – nicht nachträglich doch noch für den Rentenversicherungsschutz entscheiden.
Rz. 80
Der Antrag wirkt im Regelfall rückwirkend vom Beginn desjenigen Mona...