1. Überschreiten der Entgeltobergrenze
Rz. 67
Sobald das Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, liegt von demselben Tage an keine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV mehr vor. Für die zurückliegende Zeit verbleibt es jedoch – ordnungsgemäße Prognose vorausgesetzt – bei dem Geringfügigkeitsprivileg.
Rz. 68
Wird die Entgeltgrenze nur gelegentlich und nicht vorhersehbar überschritten, blieb es schon nach früherer Praxis sogar auch für die Zukunft bei der Geringfügigkeit. Dabei galt ein Überschreiten in bis zu drei Monaten innerhalb eines Zeitjahres (nicht: Kalenderjahres) noch als gelegentlich, sodass das Arbeitsentgelt aus einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung in jedem vierten Monat die damalige 450-EUR-Grenze übersteigen konnte – und zwar in diesen Monaten der Höhe nach unbeschränkt. Seit Oktober 2022 besteht eine gesetzliche Regelung. Der neue § 8 Abs. 1b SGB IV lässt allerdings (statt der bisher drei) nur noch zwei Monate mit Überschreitungen innerhalb eines Zeitjahres zu. Die gravierendere Einschränkung der gesetzlichen Regelung liegt in der Begrenzung der Vergütung in diesen Monaten. Bestand insoweit zuvor keine Deckelung, darf die Vergütung in den beiden Monaten mit unvorhergesehen viel Arbeit nun höchstens das Doppelte der Geringfügigkeitsgrenze betragen. Selbst wenn nur Mindestlohn gezahlt wird, darf die Gesamtarbeitszeit in jedem der beiden Monate also keinesfalls über 2 * 10 Std./Wo. * 4,33 Wo./Mo. = 86,6 Std. (also über durchschnittlich 20 Std./Woche) hinausgehen.
Rz. 69
Nicht vorhersehbar ist etwa ein plötzlicher Arbeitskräftemangel, wenn z.B. in einem kleineren Betrieb oder in einer kleineren Arbeitseinheit überraschend viele Krankheitsfälle auftreten oder mit anderen nicht geplanten Arbeitsverhinderungen (etwa mit einem mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbot) zusammentreffen.
Rz. 70
Sind die zur Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze führenden Arbeitszeit- und damit Einkommensschwankungen vorhersehbar, so darf jedenfalls der Jahreswert von derzeit 6.456 EUR (12 * 538 EUR) nicht überschritten werden; anderenfalls liegt keine Entgeltgeringfügigkeit mehr vor. Das kann z.B. für einen Arbeitnehmer gelten, der regelmäßig und bewusst als Springer zur Urlaubs- und Krankheitsvertretung eingesetzt wird.
2. Überschreiten der Zeitobergrenze
Rz. 71
Eine gelegentliche oder unvorhergesehene Überschreitung der Zeitobergrenze von drei Monaten/siebzig Arbeitstagen führt in aller Regel zu einer Beendigung der Geringfügigkeit, und zwar bereits ab demjenigen Tag, an dem das Überschreiten der Zeitdauer erkennbar wird. Nur wenn die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (Entgeltgeringfügigkeit) vorliegen, kann das Arbeitsverhältnis dennoch als geringfügige Beschäftigung fortgeführt werden.