Rz. 8
Krise ist ein aus dem altgriechischen Wort Krisis abgeleiteter Begriff der Umgangssprache. Max Frisch wird mit den Worten zitiert: "Krise kann ein produktiver Zustand sein; man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." Allgemein wird mit dem Begriff eine Unternehmenssituation bzw. eine bedrohliche Unternehmensentwicklung beschrieben, die Handlungsbedarf hervorruft. Für die nachfolgenden Abhandlungen sind folgende Krisenbegriffe zu unterscheiden:
a) Betriebswirtschaftlicher Begriff
Rz. 9
In der Betriebswirtschaftslehre wird eine Vielzahl von Krisenbegriffen vertreten. Ein einheitlicher Begriff existiert nicht. Für die Ziele dieses Werkes kann der überwiegenden Lehre gefolgt werden, wonach betriebswirtschaftlich eine Unternehmenskrise bei einer Entwicklung vorliegt, die den Fortbestand und somit die Existenz des Unternehmens bedroht und wesentliche Ziele und Werte des Unternehmens gefährdet, also eine Entwicklung, die, wenn sie nicht unterbrochen wird, in die materielle Insolvenz des Unternehmens führt. Dies deckt sich auch mit dem Krisenbegriff in § 1 Abs. 1 StaRUG: Entwicklung, die den Fortbestand der juristischen Person gefährdet.
b) Insolvenzrechtlicher Begriff
Rz. 10
Insolvenzrechtlich ist Krise der Eintritt der Insolvenzreife, also der Insolvenzantragsvoraussetzungen Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder, bei haftungsbeschränkten Gesellschaften zusätzlich, Überschuldung (§§ 17–19 InsO).
c) Straf- und haftungsrechtlicher Begriff
Rz. 11
Der strafrechtliche Krisenbegriff knüpft an den insolvenzrechtlichen an, so etwa ausdrücklich in den Tatbeständen des § 283 Abs. 1 StGB. Nach der Rspr. des BGH ist der strafrechtliche Begriff der Krise identisch mit dem insolvenzrechtlichen, also drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung mit Beurteilung nach der sog. betriebswirtschaftlichen Methode, die bspw. für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der zu ihrer Tilgung vorhandenen oder kurzfristig zu beschaffenden liquiden Mittel voraussetzt.
Jedoch lässt der BGH (in Strafsachen) in nunmehr ständiger Rspr. die Feststellung der Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) neben der sog. betriebswirtschaftlichen Methode auch durch sog. wirtschaftskriminalistische Beweisanzeichen als alternative Beurteilungsgrundlage zu (wirtschaftskriminalistische Methode). Solche Beweisanzeichen können sein: die Nichtzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, ausdrückliche Erklärungen an einen Gläubiger, nicht zahlen zu können, Ignorieren von Rechnungen und Mahnungen, Beauftragung von Anwälten, angedrohte Klagen, gescheiterte Vollstreckungsversuche, Nichtzahlung von Löhnen oder sonstigen Betriebskosten, Scheck- oder Wechselproteste, Insolvenzanträge von Gläubigern, nicht aktuelle Buchhaltung und Warenbetrügereien.
Rz. 12
Als (haftungs-)rechtliche Krise des Unternehmens kann allgemein das Stadium angesehen werden, in welchem die Existenz des Unternehmens gefährdet ist und den Beteiligten deshalb besondere zivil- und/oder strafrechtliche Risiken drohen.