Rz. 316
Die Durchgriffshaftung kann auch den faktischen Alleingesellschafter treffen, der sich eines Strohmanns als formellem Gesellschafter bedient.
a) Missbrauch der Rechtsform
Rz. 317
Das Rechtsinstitut der Durchgriffshaftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der GmbH, etwa eine Kaufpreisschuld nach § 433 Abs. 2 BGB, greift ein, wenn sich das Berufen auf das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG als unzulässige Rechtsausübung darstellt, die juristische Person offenkundig nur dazu benutzt wurde, ein von der Rechtsordnung nicht mehr gebilligtes Ergebnis herbeizuführen. Dabei leitet sich die Durchgriffshaftung bereits aus der objektiv zweckwidrigen Verwendung der juristischen Person her; subjektive Elemente wie Vorsatz oder Verschulden sind nicht erforderlich. Ein Missbrauch der haftungsbeschränkten Rechtsform kann etwa vorliegen, wenn ein Konzern für ein bestimmtes, riskantes und kapitalintensives Projekt eine mit nur geringem Kapital ausgestattete GmbH verwendet, sodass sich die Durchführung von vornherein und bereits nach dem Businessplan des Unternehmers als "Spekulation auf Kosten der Gläubiger" darstellt. Immer ist der gesamte konkrete Sachverhalt nach § 242 BGB zu würdigen; von dem Rechtsinstitut ist nur sehr eingeschränkt Gebrauch zu machen, damit die Regel des § 13 Abs. 2 GmbHG nicht aufgehoben und über die juristische Person nicht leichtfertig hinweggegangen wird.
Rz. 318
Diese Fallgruppe ist abzugrenzen von der keine Haftung begründenden bloßen Unterkapitalisierung.
b) Vermögensvermischung
Rz. 319
Eine Durchgriffshaftung des Gesellschafters wegen Vermögensvermischung war bejaht worden, wenn durch diese die Beachtung der Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes unkontrollierbar wurde. Zwar lässt sich die Durchgriffshaftung des Gesellschafters in den Vermögensvermischungsfällen seit der Änderung der Rspr. des BGH zur Rechtsfolge des existenzvernichtenden Eingriffs nicht mehr aus ihrer Einordnung als Existenzvernichtung herleiten. Die Durchgriffshaftung wegen unkontrollierbarer Vermögensvermischung greift aber in Analogie zu § 128 HGB als Verhaltenshaftung für den Gesellschafter ein, der wegen seines wahrgenommenen Einflusses als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter auf die GmbH für die Vermögensvermischung verantwortlich ist. Diese Haftung ist keine Zustandshaftung für andere, nicht beteiligte Gesellschafter. Die Durchgriffshaftung des Gesellschafters besteht analog § 9a Abs. 4 GmbHG, wenn die Abgrenzung zwischen Privat- und Gesellschaftsvermögen durch undurchsichtige Buchhaltung verschleiert wird, sich also nicht ermitteln lässt, welcher Vermögensgegenstand zum Vermögen der Gesellschaft und welcher zum Vermögen des Gesellschafters gehört. In Konzernfällen kann es zur Durchgriffshaftung kommen, wenn einzelne Beteiligungsgesellschaften wie unselbstständige Betriebsabteilungen geführt werden und im Rahmen der Rechnungslegung wirksame Abgrenzungen zwischen den einzelnen Gesellschaften unterbleiben, etwa wenn einzelne Vermögenswerte hin- und hergeschoben werden, ohne dass dies buchhalterisch nachvollzogen werden kann.