Rz. 473
Die im Folgenden zu erläuternden Haftungsverpflichtungen treffen nicht nur den ordnungsgemäß bestellten und ins Register eingetragenen Geschäftsführer, sondern auch den faktischen Geschäftsführer. Dies gilt sowohl für die Sorgfaltspflichten etwa nach § 43 Abs. 1 GmbHG als auch für die deliktische Haftung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit des faktischen Geschäftsführers.
Rz. 474
Wer faktischer Geschäftsführer ist, ist unter Gesamtwürdigung aller Umstände zu ermitteln. Faktischer Geschäftsführer ist danach, wer ohne förmliche Bestellung als Geschäftsführer mit Einverständnis oder Duldung der Gesellschafter die Geschäftsführung tatsächlich übernommen hat. Dazu ist erforderlich, dass er auf die förmlich bestellte Geschäftsführung im Rahmen eines faktischen "Übergewichts" tatsächlich einwirkt und nach außen als Geschäftsführer auftritt. Erforderlich ist über die interne Einwirkung auf die satzungsgemäße Geschäftsführung hinaus, dass der faktische Geschäftsführer durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, die Geschicke der Gesellschaft in die Hand genommen hat. Faktische Geschäftsführung ist etwa anzunehmen, wenn keinerlei Tätigkeit des im HReg. eingetragenen Geschäftsführers erkennbar ist, stets nur der faktische Geschäftsführer in Erscheinung getreten ist und der nominelle Geschäftsführer ihm die Geschäftsführung überlässt.
Nicht maßgeblich ist, ob der faktische Geschäftsführer den bestellten Geschäftsführer völlig aus seiner Position verdrängt. Nimmt der faktische Geschäftsführer tatsächlich Geschäftsführungsaufgaben wahr, genügt das Auftreten gegenüber einer "begrenzten Öffentlichkeit"; das Auftreten gegenüber der "allgemeinen Öffentlichkeit" kann weisungsabhängigen Personen überlassen werden. Auch ist unerheblich, ob die Tätigkeit des faktischen Geschäftsführers von einer Gesellschaftermehrheit getragen wird.
Rz. 475
Im Sanierungsgeschehen können die vorgenannten Kriterien je nach Ausgestaltung seiner Position evtl. auf den sog. Chief Restructuring Officer (CRO) zutreffen. Dabei sind das Institut der faktischen Geschäftsführung und die sich daraus ergebenden Haftungsfolgen restriktiv anzuwenden, wenn wenig eigenes Verhalten nach außen hervorgetreten ist und dieses zum Zwecke der Konsolidierung/Rettung eines finanziell angeschlagenen Unternehmens vorgenommen wurde. Die bloße Verfügungsgewalt über das Bankkonto der Gesellschaft genügt für die Qualifikation als faktischer Geschäftsführer nicht, ebenso wenig die eigenverantwortliche Tätigkeit im Bereich der Lohnbuchhaltung/Buchhaltung/ Personal.
Rz. 476
Zur Beendigung einer faktischen Geschäftsführerstellung dürfte die bloße Untätigkeit nicht genügen. Erforderlich dürfte sein, dass sich der Betreffende auch für Dritte deutlich erkennbar von seiner Position lossagt.