Rz. 813
Durch die Regelungen in §§ 217 Satz 2, 225a, 222 Abs. 1 Nr. 4, 238a, 254 Abs. 4, 254a Abs. 2 InsO wurde ein tiefgreifender Wandel im systematischen Verhältnis zwischen Gesellschafts- und Insolvenzrecht vollzogen, der erhebliche Zweifelsfragen aufwirft. Die Rspr. wird nun eine Harmonisierung von Gesellschafts- und Insolvenzrecht für den Fall herauszubilden haben, dass die Anteilsinhaber der Gesellschaft in das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft durch den Insolvenzplan dadurch einbezogen werden, dass in ihre Anteilsrechte eingegriffen wird. Dabei wird darauf zu achten sein, dass nicht durch zu starke Betonung des Gesellschaftsrechts die die gesetzgeberseitigen Intentionen zur Verbesserung der Sanierungsaussichten des Unternehmens im Insolvenz(plan)verfahren unterlaufen werden. U.a. werden zahlreiche Problemfelder eine Rolle spielen, von denen mir die folgenden drei eine besondere Bedeutung zu haben scheinen:
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Welche Maßnahmen sind "gesellschaftsrechtlich zulässig" i.S.d. § 225a Abs. 3 InsO? |
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Wie ist der Wert der Unternehmensbeteiligung/des Geschäftsanteils der Gesellschafter der insolventen Gesellschaft zu berechnen und ggf. abzufinden? |
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Welche Rechtsmittel haben (Minderheits-)Gesellschafter? |
a) Abstrakte (numerus clausus) oder konkrete Zulässigkeit der gesellschaftsrechtlichen Maßnahme?
Rz. 814
Nach § 225a Abs. 3 InsO kann im Insolvenzplan jede gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung getroffen werden. Fraglich ist dabei, ob hierbei die abstrakte Zulässigkeit der gesellschaftsrechtlichen Maßnahme, d.h. allein der Umstand ausreicht, dass sie sich innerhalb des gesellschaftsrechtlichen numerus clausus bewegt, oder ob die Maßnahme im konkreten Fall den gesellschaftsrechtlichen Anforderungen entsprechen muss.
Das LG Berlin geht davon aus, dass allein wegen der Einbeziehung der Gesellschafter das gesellschaftsrechtliche Gestaltungspotenzial grds. uneingeschränkt zur Verfügung steht, der Eingriff aber unzulässig sein kann, wenn er zu einem Wertverlust der Beteiligung führt (vermögenszentrierte Sicht der InsO).
Das AG Charlottenburg (Registergericht) folgt der anderen Auffassung: Enthält der Insolvenzplan eine disquotale Einziehung von Aktien, die die Hauptversammlung mangels entsprechender Regelung in der Satzung nicht wirksam hätte beschließen können, handele es sich nicht um eine Regelung, die i.S.d. § 225a Abs. 3 InsO gesellschaftsrechtlich zulässig sei. Dabei sei die Prüfungskompetenz des Registergerichts für die Eintragung einer Kapitalveränderung in das Handelsregister nicht durch eine vorrangige Zuständigkeit des Insolvenzgerichts eingeschränkt und das Registergericht auch nicht an die Planbetätigung durch das Insolvenzgericht gebunden, denn das Insolvenzgericht habe nur die Einhaltung der planverfahrensrechtlichen Vorschriften, nicht aber die registerrechtliche Eintragungsfähigkeit der im Plan getroffenen Maßnahmen zu prüfen. Diese enge Auslegung des gesellschaftsrechtlich Zulässigen kann die insolvenzrechtlichen Ziele des Verfahrens konterkarieren. Deshalb wird dafür plädiert, die Begrenzung nur für die zwingenden, unabdingbaren Gesellschafterrechte zu akzeptieren, nicht jedoch für solche, die der gesellschafterlichen Disposition unterliegen. Nach einer noch weiter gehenden Auffassung kommen als gesellschaftsrechtliche Maßnahmen nur solche in Betracht, die die zwingenden gesellschaftsrechtlichen Instrumente zum Schutz der Mitgliedschaft berücksichtigen, wenn die Mitgliedschaft / der Geschäftsanteil noch werthaltig ist.
b) Wichtiger Grund für Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung von Gesellschaftsanteilen erforderlich?
Rz. 815
Nach § 225a Abs. 3 InsO kann im Insolvenzplan jede gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung getroffen werden, insbesondere auch eine Zwangseinziehung oder Zwangsabtretung der Geschäftsanteile, ein Zwangsausschluss eines oder aller Gesellschafter oder eine Kapitalherabsetzung auf Null mit sofort anschließender Kapitalerhöhung mindestens bis auf das gesetzliche Mindestkapital (Kapitalschnitt, s.u.). Evtl. Vinkulierungsregelungen in der Satzung sind unbeachtlich bzw. können durch entsprechende im Plan vorgesehene Satzungsänderungen beseitigt werden (arg. aus § 238a Abs. 1 Satz 2 InsO).
Rz. 816
Alle diese Maßnahmen haben zur Folge, dass die (Alt-)Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheiden. Für diese Fälle ist gesetzlich geregelt, dass die Altgesellschafter zum Zerschlagungswert (§ 225a Abs. 5 InsO) ausscheiden, also regelmäßig eine Abfindung nicht erh...