Rz. 350
Der Insolvenzverwalter kann alle im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag oder danach noch erfolgten Befriedigungen von Gesellschafterforderungen i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO (das sind Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen) durch die Gesellschaft oder Tilgungen von Darlehen eines Dritten durch die Gesellschaft, für die der Gesellschafter dem Dritten Sicherheit gegeben hatte (also die Befreiungen des Gesellschafters von Sicherheiten für Darlehen der Gesellschaft) im Wege der Insolvenzanfechtung nach §§ 135 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO zurückverlangen. Eine Befriedigung i.S.d. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO liegt auch vor, wenn die Gesellschafterforderung zu Lasten des Gesellschaftsvermögens mit Hilfe eines Erfüllungssurrogats wie einer Leistung an Erfüllungs statt befriedigt wird.
Ist dem Gesellschafter innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft oder danach für ein Gesellschafterdarlehen oder eine gleichgestellte Forderung eine Sicherheit aus dem Vermögen der Gesellschaft gewährt worden, so kann der Insolvenzverwalter diese Rechtshandlung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten.
Rz. 351
Die Insolvenzanfechtungen nach § 135 Abs. 1 InsO setzen keine Krise der Gesellschaft voraus; dasselbe gilt für die Anfechtung bei Rückgewähr eines durch den Gesellschafter gesicherten Darlehens nach §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO. Es kommt also nicht mehr darauf an, dass das Gesellschafterdarlehen in der Krise der Gesellschaft gegeben oder stehen gelassen wurde oder ob sich die Gesellschaft zur Zeit der Darlehenstilgung in einer Krise befand.
Die gesetzliche Regelung geht also davon aus, dass es für die übrigen Gläubiger der Gesellschaft eine Erhöhung ihrer Befriedigungsrisiken darstellt, wenn die Gesellschaft mit Darlehen des Gesellschafters geführt wird. Durch die Darlehensgewährung übernehme der Gesellschafter gegenüber den anderen Gesellschaftsgläubigern eine Finanzierungsfolgenverantwortung. Diese realisiere sich, wenn das Gesellschafterdarlehen innerhalb des Anfechtungszeitraums (letztes Jahr vor Insolvenzantrag bis Insolvenzeröffnung) zurückgeführt werde oder der Gesellschafter innerhalb dieses Zeitraums von einer gegebenen Sicherheit befreit werde.
Rz. 352
Wie jede Insolvenzanfechtung setzt auch die Anfechtung nach § 135 InsO eine durch die Rückleistung an den Gesellschafter bewirkte Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nach § 129 InsO voraus. Die Benachteiligung der übrigen Gläubiger durch Tilgung eines Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft ergibt sich daraus, dass der Tilgungsbetrag ansonsten im eröffneten Insolvenzverfahren wegen des Nachrangs des Gesellschafterdarlehens nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 InsO den (übrigen) Insolvenzgläubigern zur Verfügung stünde.
Rz. 353
Die Insolvenzanfechtung ist also ausgeschlossen, wenn und soweit der Gesellschafter die erhaltene Darlehensrückzahlung der Gesellschaft zurückgewährt und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen macht. Durch die Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage entfällt die mit der vorherigen Darlehensrückgewährung eingetretene objektive Gläubigerbenachteiligung. Dabei muss dem Gesellschafter die Anfechtbarkeit der vorherigen Darlehenstilgung durch die Gesellschaft nicht bewusst gewesen sein; es genügt, wenn der Gesellschafter der Gesellschaft bestimmungsgemäß Vermögenswerte zukommen lässt, die die anfechtbare Leistung vollständig ausgleichen und dem Gläubigerzugriff offenstehen. Der Umstand, dass bei Rückführung der von der Gesellschaft anfechtbar erhaltenen Darlehenstilgung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzanfechtungs-Rückgewähranspruch noch nicht entstanden war, ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise unbeachtlich. Für die Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung ist erforderlich, dass die Rückzahlung des Gesellschafters an die Gesellschaft allein auf den (ansonsten später entstehenden) Anfechtungsanspruch angerechnet werden kann. Diese Annahme verbietet sich, wenn auch sonstige Forderungen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter begründet sind. So wird die durch Darlehensrückzahlung der Gesellschaft an den Gesellschafter eingetretene Gläubigerbenachteiligung durch eine nachfolgende Zahlung des Gesellschafters an die Gesellschaft nicht wieder beseitigt, wenn der Gesellschaft in diesem Umfang eine weitere Darlehensforderung gegen den Gesellschafter zusteht (etwa aus einer Patronatserklärung). Auch ist es keine Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung, wenn der Gesellschafter die empfangenen Darlehensmittel zwecks Erfüllung einer von ihm übernommenen Kommanditeinlagepflicht an die Muttergesellschaft der Schuldnerin weiterleitet, die der Schuldnerin anschließend Gelder in gleicher Höhe auf der Grundlage einer von ihr übernommenen Verlustdeckungspflicht zur Verfügung stellt.
Rz. 354
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