Rz. 676
Der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers richtet sich auf den Ersatz des negativen Interesses. Neugläubiger haben Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, der dadurch entstanden ist, dass der Gläubiger in Rechtsbeziehung zu der insolventen Gesellschaft getreten ist und dieser Kredit gewährt oder sonstige Vorleistungen erbracht hat. Daher richtet sich der Anspruch nicht auf Ersatz des positiven Erfüllungsinteresses, sondern nur auf vollen Ersatz des negativen Interesses, also des Vertrauensschadens. Die Schadensersatzpflicht umfasst auch die Rechtsverfolgungskosten, die einem Neugläubiger noch vergeblich für die Verfolgung der Ansprüche gegen die insolvente Gesellschaft entstanden sind.
Rz. 677
Der Schutzbereich der Insolvenzantragspflicht umfasst auch solche Schäden des Neugläubigers, die durch fehlerhafte Bauleistung der insolvenzreifen Gesellschaft am Bauwerk verursacht werden und von dieser wegen fehlender Mittel nicht mehr beseitigt werden können. Bei Vertragsschluss bereits im Stadium der Insolvenzreife und Erbringung mangelhafter Leistung durch den späteren Insolvenzschuldner besteht aber kein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, etwa Mängelbeseitigungskosten, sondern es kann ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises oder Werklohns bestehen, da der Schuldner keine mangelfreie Sache geliefert hat.
Rz. 678
Ausnahmsweise kann der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers auch das positive Interesse umfassen. Ersatz entgangener Einkünfte oder des entgangenen Gewinns kann der Neugläubiger ausnahmsweise verlangen, wenn ihm durch den Vertragsschluss mit der insolventen Gesellschaft Gewinn entgangen ist, den er ohne den Vertragsschluss anderweitig erzielt hätte. Diese Kausalität muss der Neugläubiger dann zweifelsfrei darlegen und ggf. beweisen.
Rz. 679
Der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers gegen den Geschäftsführer ist nicht um die Insolvenzquote des Neugläubigers zu kürzen.
Rz. 680
Der Schadensersatzanspruch des Neugläubigers ist auch nicht um Beträge zu kürzen, die er in der Zeit der Insolvenzverschleppung noch auf Altforderungen erhalten hat; eine solche Vorteilsausgleichung würde zu einer unbilligen, dem Zweck der Ersatzpflicht widersprechenden Entlastung des Schädigers führen.
Rz. 681
Dem Geschäftsführer ist entsprechend § 255 BGB i.V.m. § 273 BGB wie bei einer Inanspruchnahme aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. (heute § 15b InsO) ein Anspruch auf Abtretung der Insolvenzforderung des Gläubigers zuzusprechen, um dem schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbot Rechnung zu tragen.
Rz. 682
Wurde durch die Insolvenzverschleppung die Schädigung des Gläubigers durch einen Dritten begünstigt, kann dieser Schaden gegen den die Insolvenz verschleppenden Geschäftsführer nicht geltend gemacht werden, weil es am Schutzzweckzusammenhang der Insolvenzantragspflicht fehlt.