a) Allgemeines
Rz. 794
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gibt dem Insolvenzverwalter grds. keine gesellschaftsrechtlichen Befugnisse in der Gesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Er hat also generell nicht die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung. Er ist z.B. nicht befugt, Geschäftsführer zu bestellen oder Prokura zu erteilen. Durch das Insolvenzgericht kann der (vorläufige) Insolvenzverwalter auch nicht ermächtigt werden, in die organschaftliche Stellung der Vertreter der Gesellschaft einzugreifen.
b) Ausnahmen
Rz. 795
Der Insolvenzverwalter hat jedoch auch ohne vorherige Gesellschafterbeschlüsse die Befugnis,
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eine Kaduzierung von Geschäftsanteilen nach §§ 21 ff. GmbHG vorzunehmen, |
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rückständige Stammeinlagen einzufordern, |
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die Rückzahlungsansprüche nach §§ 30 Abs. 1 Satz 1, 31 GmbHG geltend zu machen, |
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Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer nach § 43 GmbHG geltend zu machen, |
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innerhalb des ersten laufenden Geschäftsjahres nach Insolvenzeröffnung den mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu beginnenden Geschäftsjahresrhythmus innerhalb des ersten laufenden Geschäftsjahres zu ändern: das kann geschehen durch Anmeldung und Eintragung im HReg. oder durch sonstige Mitteilung an das Registergericht. Die bloße Mitteilung an das Finanzamt reicht nicht. |
Rz. 796
Der Insolvenzverwalter ist zur Erhebung einer Bilanznichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG gegen die AG befugt, deren Vermögen er zu verwalten hat. Der Rechtsanwalt, der die Gesellschaft in diesem Prozess vertritt, hat wegen der Erstattung der Prozesskosten keinen Masseanspruch gegen den Insolvenzverwalter, sondern ist als Neugläubiger zu behandeln.
Auch sind Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH, die die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entlastung des Geschäftsführers oder die Übernahme von Personalkosten zum Gegenstand haben, gegen den Insolvenzverwalter zu richten, da er nach § 80 InsO die Befugnis zur Vermögensverwaltung hat.
Rz. 797
Fraglich ist, wer Berufsgeheimnisträger, die von der zwischenzeitlich insolventen Gesellschaft mandatiert waren, in einem Strafverfahren gegen deren Geschäftsführer von der Schweigepflicht entbinden kann bzw. deren Straftaten offenlegen kann. Hier ist die obergerichtliche Rspr. uneinheitlich:
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Entbindung des Wirtschaftsprüfers allein durch den Insolvenzverwalter, |
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Entbindung des Steuerberaters (betr. Offenlegung von Straftaten des Organs) allein durch den Insolvenzverwalter nicht ausreichend, |
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Entbindung des Anwalts (betr. Offenbarung wirtschaftlicher Geheimnisse) allein durch den Insolvenzverwalter, |
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bei Doppelmandat durch die Gesellschaft und den Geschäftsführer an den Berufsgeheimnisträger kann die Schweigepflichtentbindungserklärung kumulativ durch den Insolvenzverwalter und den Organträger erforderlich sein. |
Rz. 798
Ist über das Vermögen eines Gesellschafters einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, übt der Insolvenzverwalter die Gesellschafterrechte, insbesondere das Stimmrecht aus.
c) Umfirmierung der insolventen Gesellschaft?
Rz. 799
Das Recht des Insolvenzverwalters, etwa im Rahmen einer übertragenden Sanierung zusammen mit dem Geschäftsbetrieb die Handelsfirma der insolventen GmbH zu veräußern, auch wenn sie den Namen eines Gesellschafters enthält, ist heute allgemein anerkannt. Obwohl der BGH bereits früher entschieden hatte, dass nach einer Übertragung des Unternehmens mit der Handelsfirma der Insolvenzschuldner noch unter der alten Firma jedenfalls für einen begrenzten Zeitraum abgewickelt werden kann, ging die moderne obergerichtliche Rspr. davon aus, dass nach der übertragenden Sanierung mit Veräußerung der Firma die Bildung einer Ersatzfirma der insolventen Gesellschaft (Umfirmierung) notwendig ist. Fraglich geworden war sodann, welche Erfordernisse bzw. Zuständigkeiten hierfür erfüllt sein mussten, insbesondere ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter befugt ist, die handelsrechtliche Firma der insolventen Gesellschaft, deren Vermögen er verwaltet, zu ändern (Umfirmierung = Bildung einer Ersatzfirma etwa bei übertragender Sanierung). Nach Vorbereitung durch das OLG München hat der BGH entschieden, dass für die Umfirmierung eine Satzungsänderung erforderlich ist und der Insolvenzverwalter nicht befugt ist, die Satzung hinsichtlich der Firma zu ändern und dass er eine Firmenänderung auch nicht außerhalb der Satzung kraft eigener Rechtsstellung herbeiführen kann. Zur Reduzierung de...