§ 28 Insolvenz- und Strafrecht, Insolvenzgesellschaftsrecht / 4. Haftungsanspruch in der Insolvenz der KG

Rz. 295

In der Insolvenz der KG macht der Insolvenzverwalter die (wieder aufgelebten) Haftungsansprüche gegen die Kommanditisten geltend, § 171 Abs. 2 HGB, § 93 InsO. Er handelt mit treuhänderischer Einziehungsermächtigung und ist insoweit gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger; der in Anspruch genommene Kommanditist bringt durch Zahlung konkrete Gläubigerforderungen zum Erlöschen.^[520]

Neben der Anspruchserhebung § 171 Abs. 2 HGB, § 93 InsO kann der Insolvenzverwalter grds. den Kommanditisten u.U. auch im Wege der Insolvenzanfechtung unentgeltlicher Leistung nach § 134 InsO auf der Rückzahlung in Anspruch nehmen, etwa bei "Gewinn"-auszahlung ohne entstandenen Gewinn. Eine unentgeltliche Leistung liegt aber nur vor, wenn der bereicherungsrechtliche Rückgewähranspruch der Gesellschaft etwa nach § 814 BGB gesperrt ist.^[521]

[520] OLG Dresden, NZG 2020, 268.

[521] BGH, NZG 2022, 458.

a) Von der Haftung des Kommanditisten erfasste Verbindlichkeiten

Rz. 296

Der Insolvenzverwalter ist nur berechtigt, einen Kommanditisten wegen Rückzahlung seiner Kommanditeinlage (bis zu deren Höhe) für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten in Anspruch zu nehmen, für die der Kommanditist nach §§ 128, 171, 172 HGB persönlich haftet.^[522] In der Insolvenz der Gesellschaft ist die Haftung des Kommanditisten teleologisch reduziert, mit der Folge, dass der Kommanditist nur für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren.^[523] Insoweit sei die Stellung des Kommanditisten mit derjenigen eines ausgeschiedenen Gesellschafters gem. § 160 HGB vergleichbar. Ist die Verbindlichkeit vor der Insolvenz der KG begründet worden, kommt es für die Haftung des Kommanditisten dann nicht mehr auf die spätere insolvenzrechtliche Einordnung der Verbindlichkeit (etwa als Masseverbindlichkeit) an.^[524] Somit haftet der Kommanditist ebenfalls für im Insolvenzeröffnungsverfahren von der Schuldnergesellschaft mit Zustimmung eines (schwachen) vorläufigen Verwalters begründete Verbindlichkeiten, auch wenn diese später im eröffneten Verfahren Masseverbindlichkeiten sind (etwa im Fall des § 55 Abs. 4 InsO betr. eine Gewerbesteuerforderung, die auf der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags zum Gewinn der Schuldnerin beruht).

Rz. 297

Der Insolvenzverwalter kann die Kommanditistenhaftung nicht wegen solcher Forderungen geltend machen, für die der Kommanditist nicht persönlich haftet. Der Kommanditist haftet grds. nicht für vom Insolvenzverwalter begründete Masseverbindlichkeiten, die durch Verwaltungs- oder Verwertungshandlungen des Verwalters entstehen (Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und auch nicht für die Verfahrenskosten.^[525] Solche Verbindlichkeiten dürfen folgerichtig in die Erforderlichkeitsberechnung (s.u. Rdn 299 ff.) nicht einbezogen werden.^[526]

Rz. 298

Auch haftet der Kommanditist nicht für Innenausgleichsansprüche von Kommanditisten.^[527] Dies gilt etwa für von (anderen) Kommanditisten angemeldete Forderungen auf (erneute) Ausschüttungen. Diese bleiben bei der Beurteilung der Erforderlichkeit zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger unberücksichtigt,^[528] denn dies betrifft nur den Innenausgleich zwischen den Kommanditisten und dieser setzt voraus, dass der Insolvenzverwalter – sofern er überhaupt dafür zuständig ist – eine Schlussabrechnung erstellt hat.^[529] Das gilt auch für die Regressforderungen des Kommanditisten nach § 110 HGB. Grds. ist davon auszugehen, dass dem Insolvenzverwalter der KG die Einziehungsbefugnis zur Vornahme des Innenausgleichs zwischen den Kommanditisten fehlt.^[530]

Auch diese Verbindlichkeiten dürfen folgerichtig in die Erforderlichkeitsberechnung (s.u. Rdn 299 ff.) nicht einbezogen werden.

[522] BGH, ZIP 2021, 255 und BGH, ZIP 2021, 528; Gehrlein, GmbHR 2021, 692 ff..

[523] BGH, ZIP 2021, 255.

[524] BGH, ZIP 2021, 255 = NJW 2021, 928 (für einen Fall vor Insolvenzeröffnung begründeter, später als Masseverbindlichkeit eingeordneter Gewerbesteuerschuld)

[525] OLG Celle, NZG 2019, 304; OLG Hamm, NZG 2019, 505; OLG Stuttgart, ZIP 2020, 136; BGH ZIP 2009, 2209 = ZInsO 2009, 2198; BGH ZIP 2016, 274.

[526] OLG Karlsruhe, ZIP 2021, 1121.

[527] BGH, NZG 2022, 406.

[528] OLG Hamburg, ZIP 2019, 70.

[529] OLG Hamburg, ZIP 2019, 70.

[530] OLG Hamm, ZIP 2019, 429.

b) Erforderlichkeit der Kommanditistenleistung zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger

Rz. 299

Der Insolvenzverwalter kann die Haftung des Kommanditisten nur insoweit geltend machen, als seine Leistung zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger, für deren Verbindlichkeiten er haftet, erforderlich ist.^[531] Welche Gläubigerforderungen in dieser Berechnung zu berücksichtigen sind, war streitig. Jedenfalls sind Gläubigerforderungen zu berücksichtigen, die zur Insolvenztabelle rechtskräftig festgestellt sind. Das gilt auch für Forderungen, die für den Ausfall festgestellt sind.^[532] Ob auch angemeldete, aber vom Insolvenzverwalter noch nicht festgestellte oder bestrittene Forderungen zu berücksichtigen sind, war obergerichtlich unterschiedlich entschieden worden^[533] und ist vom BGH m.E. zu Recht dahingehend entschieden, dass auch die bestrittenen Forder...