Rz. 238
Die praktische Relevanz dieser Straftat ist nach meiner Beobachtung für Arbeitgeber, bei Gesellschaften für die Geschäftsleiter in der Krise des Unternehmens hoch. Nach § 266a Abs. 1 StGB ist das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen von Sozialversicherungsbeiträgen, d.h. Beiträgen zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, strafbar. Vorenthalten ist bereits die Nichtabführung der gemeldeten Beiträge bei Fälligkeit, sodass auch verspätete Zahlungen den Tatbestand erfüllen. Soweit die Verurteilung wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt nicht auf Beitragsnachweisen beruht, sind genaue Feststellungen zur Höhe der zu zahlenden Beiträge im jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu treffen, was bei gleichzeitiger Verletzung der Buchführungspflichten Schwierigkeiten aufwerfen kann.
Das Vorenthalten von Arbeitgeberanteilen von Sozialversicherungsbeiträgen ist nur strafbar, wenn es zugleich auf unterlassener oder falscher Beitragsmeldung beruht.
Die Verfolgungsverjährung beginnt mit dem Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunkts für jeden Beitragsmonat nach § 23 Abs. 1 SGB IV.
Rz. 239
Nach § 266a Abs. 6 Satz 1 StGB kann von Strafe abgesehen werden, wenn der Arbeitgeber/Geschäftsführer der Beitragseinzugsstelle bei Fälligkeit oder unverzüglich danach die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und die Gründe für die Nichtzahlung trotz ernsthaften Bemühens mitteilt. Nach § 266a Abs. 6 Satz 2 StGB erlangt der Arbeitgeber/Geschäftsführer nach einer solchen Selbstanzeige Straffreiheit, wenn die Beiträge innerhalb einer von der Einzugsstelle gesetzten angemessenen Frist gezahlt werden.
Rz. 240
Die Haftungskollision mit § 15b InsO (früher § 64 GmbHG a.F.) hat der BGH zivilrechtlich dahin- gehend gelöst, dass die Zahlung der Arbeitnehmer-Beitragsanteile jedenfalls innerhalb der Drei-Wochen-Frist mit der Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsführers vereinbar ist (s.u. bei Geschäftsführerhaftung). In der Lit. wird z.T. angenommen, die Neuregelung in § 15b Abs. 8 InsO, die das vergleichbare Haftungsdilemma für Steuerzahlungen in der bisherigen Rspr. entgegengesetzter Weise auflöst, müsse entsprechend auch auf die Sozialversicherungsbeiträge angewendet werden. Zu den Einzelheiten sei auf die Ausführungen unten bei Geschäftsführerhaftung Rdn 743 ff. verwiesen.
Strafrechtlich kann sich bei Nichtzahlung evtl. ein Verteidigungsansatz aus § 34 StGB ergeben, wenn bei Zahlung ein aussichtsreicher und erlaubter Sanierungsversuch vereitelt worden wäre.
Rz. 241
Das Unvermögen der Beitragsentrichtung wegen fehlender finanzieller Mittel ist regelmäßig nicht tatbestandsausschließend.
Im Einzelnen sei zum Tatbestand auf die Ausführungen zur Geschäftsführerhaftung u. Rdn 730 ff. verwiesen.
Rz. 242
Praxishinweis
Verteidigungsansätze liegen oft in erheblicher Reduzierung der Fallzahlen, die von der StA aufgrund (ungeprüfter?) Mitteilungen der Kassen vorgeworfen werden, etwa für Zeiträume nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung oder aufgrund Nichtberücksichtigung von getroffenen Tilgungsbestimmungen.