a) Zivilrechtlich
Rz. 183
Der Forderungsverzicht ist eine klassische Maßnahme im Bereich der finanziellen Sanierung. Rechtlich handelt es sich um einen Erlassvertrag. Mit seinem wirksamen Abschluss sind die umfassten Forderungen nicht mehr im Überschuldungsstatus auszuweisen.
Rz. 184
Mit dem Verzicht erlöschen auch die akzessorischen Sicherheiten (z.B. Bürgschaft) und auch die durch enge Zweckerklärung gebundenen Sicherheiten.
Rz. 185
Bei der Vereinbarung von Bedingungen muss unbedingt darauf geachtet werden, dass der Verzicht auch wirksam vereinbart wird, damit nicht lediglich eine Stundung vereinbart ist. Bei aufschiebender Bedingung wird der Verzicht erst mit Eintritt der Bedingung wirksam, kann also bis zu diesem Zeitpunkt den Überschuldungsstatus nicht entlasten.
Rz. 186
Häufig wird mit dem Verzicht die Erteilung eines sog. Besserungsscheins verbunden. Der Besserungsschein ist rechtlich eine auflösende Bedingung für den Verzicht, gibt also an, dass und ggf. unter welchen Umständen die verzichtete Forderung zu einem späteren Zeitpunkt wieder auflebt. Der Besserungsschein ändert also zunächst am Erlöschen der Forderung nichts. Die verzichtete Forderung braucht bis zum Eintritt der Bedingungen des Besserungsscheins im Überschuldungsstatus nicht ausgewiesen zu werden.
b) Steuerrechtlich
Rz. 187
Praxishinweis
Der Forderungsverzicht ist für den Schuldner ein steuerbarer Ertrag. Die Festsetzung eines Gewerbesteuermessbetrages ist auch dann nicht unbillig, wenn der Gewerbeertrag allein durch Forderungsverzichte von Gläubigern entstanden ist.
Rz. 188
Wenn der verzichtende Forderungsinhaber zugleich Gesellschafter der schuldenden Kapitalgesellschaft ist, hat der Verzicht folgende steuerrechtliche Konsequenzen:
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Bei der Gesellschaft zu versteuernder Ertrag in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung, da nur in Höhe des werthaltigen Teils eine steuerneutrale Einlage entgegensteht. |
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Beim Gesellschafter (unter Geltung der Abgeltungssteuer): Entstehung eines nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Satz 2 EStG zu berücksichtigenden Verlusts, der unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten zu verrechnen ist. In Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung liegt ein Forderungsausfall vor, der nach § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG als Abtretungsverlust steuerlich zu berücksichtigen ist, weil es wirtschaftlich keinen Unterschied macht, ob der Gesellschafter die Forderung an die Gesellschaft abtritt oder auf sie verzichtet. Voraussetzung ist allerdings, dass der Gesellschafter für die Forderung Anschaffungskosten hatte (etwa Anschaffungskosten der Forderung zum Nennwert, sonst werden die AK zunächst dem werthaltigen Teil der verzichteten Forderung zugeordnet). Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die ab 1.1.2020 gültige Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG. |
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Beim Gesellschafter-Geschäftsführer kann der Verzicht auf die Darlehensforderung auch durch das zugleich bestehende Dienstverhältnis veranlasst sein und dann in Höhe des noch werthaltigen Teils der verzichteten Forderung zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Tätigkeit führen. |
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In der Praxis und in späteren Betriebsprüfungen besteht häufig das Problem der Beurteilung, welcher Teil der verzichteten Forderung gegen die in der Krise befindliche Gesellschaft noch werthaltig war. Dies sollte daher dokumentiert werden. |
Rz. 189
Nach der jüngsten Gesetzesänderung in § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG, nach welcher die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ein Gesellschafter durch Leistung eines anderen erlangt, als Schenkung gilt, kann fraglich sein, ob ein Forderungsverzicht eines Gesellschafters oder Gläubigers gegenüber der Schuldnergesellschaft Schenkungsteuer beim (anderen) Anteilseigner/Gesellschafter auslöst. Nach dem gleichlautenden Ländererlass der Finanzverwaltung v. 14.3.2012 soll dies nur beim beteiligungsproportionalen Verzicht sämtlicher Gesellschafter oder bei einem Verzicht mit Besserungsabrede nicht der Fall sein. Nach meinem Dafürhalten dürfte in Sanierungsfällen Schenkungsteuer nicht entstehen, weil es an einer insoweitigen Bereicherungsabsicht des Gläubigers fehlt und es nicht angehen kann, dem sanierenden verzichtenden Gläubiger auch noch das Risiko der Mithaftung für die Schenkungsteuer des (Mit-)Gesellschafters aufzuerlegen. Da der Wortlaut der neuen Regelung jedoch keine Einschränkung für Sanierungsfälle enthält und der o.g. Erlass ebenfalls keine Klarheit bringt, sollte ggf. eine verbindliche Auskunft des Finanzamtes nach § 89 AO eingeholt werden.
Rz. 190
Wegen der nachteiligen Wirkungen – Erlöschen der Sicherheiten und steuerbarer Ertrag – hat der Verzicht weniger Bedeutung als kurzfristige Maßnahme zur Beseitigung einer Überschuldung (zur Entlastung des Überschuldungsstatus reicht auch der Rangrücktritt) als bei der finanziellen Sanierung des Unternehmens im Rahmen eines en...