Rz. 853
Mit dem ESUG sollte auch die Eigenverwaltung zu mehr praktischer Bedeutung gelangen. Nach Inkrafttreten des ESUG am 1.3.2012 hat die Eigenverwaltung gem. der Intention des Gesetzgebers im Insolvenzgeschehen an Bedeutung gewonnen. Die Evaluierung des ESUG im Jahr 2018 zeigte zwar die grundsätzliche Geeignetheit des Verfahrens, deckte jedoch einige Unstimmigkeiten und Rechtsunsicherheiten auf. Mit dem am 1.1.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG wurden u.a. einige Regelungen der InsO zur Eigenverwaltung in §§ 270 ff. InsO z.T. erheblich überarbeitet, einerseits um die aufgedeckten Unstimmigkeiten und Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und die Attraktivität des Eigenverwaltungsverfahrens weiter zu erhöhen, andererseits aber auch, um für die Eigenverwaltung ungeeignete Geschäftsführungen frühzeitig erkennen und deren Eigenverwaltungsanträge abweisen zu können.
Rz. 854
Ist Eigenverwaltung angeordnet, haben nach § 276a InsO die Gesellschafterversammlung oder der Aufsichtsrat keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners. Nach § 276a Abs. 3 InsO gilt diese Regelung auch im Eröffnungsverfahren mit vorläufiger Eigenverwaltung.
Abberufung und Neubestellung des Geschäftsführers bedürfen der Zustimmung des Sachwalters, die zu erteilen ist, wenn die Maßnahme nicht zu Nachteilen für die Gläubiger führt. Die Reichweite des § 276a InsO ist jedoch fraglich und ungenau. Nach OLG München hindern § 276a InsO (und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder die Einleitung des Insolvenzplanverfahrens) hindern nicht die gerichtliche Ermächtigung einer Aktionärsminderheit nach § 122 Abs. 3 AktG zur Einberufung einer Hauptversammlung. Taugliche Gegenstände der Hauptversammlung sind alle masseneutralen insolvenzfreien Bereiche, etwa Abberufung und Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstand, Satzungsänderungen über Abstimmungsmehrheiten, Kapitalerhöhungen (außerhalb des Insolvenzplans) sowie gewisse Sonderprüfungen.