Rz. 259
Die Straftat der Insolvenzverschleppung bei haftungsbeschränkten Gesellschaften, also solchen, die keine natürliche Person als Vollhafter haben, ist durch das MoMiG aus den einzelnen, die Gesellschaften betreffenden Gesetzen herausgenommen und rechtsformübergreifend in § 15a Abs. 4 (Vorsatztat) und Abs. 5 (Fahrlässigkeitstat) InsO geregelt worden. Dadurch wurde zugleich erreicht, dass die Strafbarkeit wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht auch Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Auslandsgesellschaften mit Tätigkeits-/Verwaltungssitz im Inland erfasst.
Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der Feststellung der Straftat Insolvenzverschleppung reicht hingegen die Feststellung, dass im Tatzeitraum einer möglichen Insolvenzverschleppung offene Verbindlichkeiten bestanden haben, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht beglichen wurden, für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit allein nicht aus.
Rz. 260
Fraglich war, ob die Strafandrohung in § 15a InsO auch für den Vorstand eines e.V. galt. Nunmehr ist in § 15a Abs. 6 InsO klargestellt, dass § 15a Abs. 1–5 InsO auf Vereine und Stiftungen nach § 42 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden sind.
Rz. 261
Zu den zeitlich begrenzten und bereits wieder außer Kraft getretenen Aussetzungen der Insolvenzantragspflicht durch das COVInsAG und andere Gesetze sei auf die Ausführungen bei Bauer, Die GmbH in der Krise, 7. Aufl. 2022, Rn 1650 ff. verwiesen.
a) Geschäftsführer
Rz. 262
Für die Geschäftsführer und ebenso die Liquidatoren jeglicher haftungsbeschränkter Gesellschaften ist die Verletzung der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages strafbar. Die Insolvenzantragspflicht ist verletzt, wenn der Geschäftsführer nach Eintritt der Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) der Gesellschaft den Insolvenzantrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtigstellt. Für den Vorwurf der Insolvenzverschleppung hat das Strafgericht zu prüfen, ob neben einer festgestellten Zahlungsunfähigkeit auch Überschuldung vorgelegen hat (gerichtliche Kognitionspflicht).
Rz. 263
Zur strafrechtlichen Entlastung wurde früher die bloße Antragstellung als ausreichend angesehen, Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis mussten nicht bereits beigefügt sein. Dies dürfte nicht mehr gelten, da nach der Neuregelung in § 15a Abs. 4 InsO der Antrag nicht nur rechtzeitig, sondern auch "richtig" gestellt sein muss. Also stellt sich auch zur Beurteilung der Strafbarkeit der Insolvenzverschleppung die Frage nach den Anforderungen an einen "richtigen" Insolvenzantrag als ein wesentliches Problem dar, das in der Lit. diskutiert wird und, soweit ersichtlich, in der Rspr. noch nicht entschieden ist. Ich gehe davon aus, dass der Antrag mindestens zulässig sein muss (Verständnis "richtig" = zulässig). Dafür ist mindestens erforderlich, dass er schriftlich eingereicht wird (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO) und ausreichend begründet ist. Ob der Geschäftsführer seiner Insolvenzantragspflicht durch Antragstellung vor einem Gericht eines anderen Mitgliedsstaates der EU genügt, dürfte nach der Neuregelung in § 15a Abs. 4 InsO (Antrag nicht "richtig" gestellt) fraglich, nach meinem Dafürhalten zu verneinen sein. Neben der Zuständigkeit des Gerichts ist für einen zulässigen Insolvenzantrag ist mindestens erforderlich, dass er schriftlich eingereicht (§ 13 Abs. 1 Satz 1 InsO) und ausreichend begründet wird.
Rz. 264
Zu beachten ist, dass durch das ESUG die Anforderungen an einen Eigeninsolvenzantrag nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO für den Fall noch erheblich erhöht wurden, dass der Schuldner einen Geschäftsbetrieb hat. In der Rspr. wird herauszuarbeiten sein, ob ein Geschäftsführer, der zwar rechtzeitig beim zuständigen Gericht den Insolvenzantrag stellt, aber die zusätzlichen formalen Anforderungen an den Insolvenzantrag nicht oder erst verspätet erfüllt, Insolvenzverschleppung begeht, weil er den Antrag "nicht richtig" gestellt hat. Inwieweit auch die Anforderungen nach § 13 Abs. 1 Satz 3–6 InsO zum strafrechtlich "richtigen" Antrag gehören, ist m.E. zweifelhaft. Ausgehend davon, dass zum richtigen Antrag alle Angaben gehören, die das Gericht in die Lage versetzen, umgehend die erforderlichen Maßnahmen zugunsten der Massesicherung zu ergreifen, dürften jedenfalls die Verzeichnisse nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsO dazugehören. Auch für das Fehlen der Vollständigkeitserklärung nach § 13 Abs. 1 Satz 7 InsO dürfte gelten, dass die Strafbarkeit nur in Betracht kommt, wenn das Fehlen die Entscheidung über die Eröffnung verhindert oder erheblich erschwert.
Für die Beratungspraxis würde ich vorsorglich davon ausgehen, dass die Anforderungen an einen das Dauerdelikt der Insolvenzverschleppung beendenden Insolvenzantrag erheblich gestiegen sind (zusätzlich vorzulegende Verzeichnisse, etc.)
Rz. 265
Taugli...