Rz. 430
Ist dem Gesellschafter innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Insolvenzantrag über das Vermögen der Gesellschaft oder danach für ein Gesellschafterdarlehen oder eine gleichgestellte Forderung eine Sicherheit aus dem Vermögen der Gesellschaft gewährt worden, so kann der Insolvenzverwalter diese Rechtshandlung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten.
Rz. 431
Reichweite und Regelungsgehalt der Vorschrift waren und sind in der Lit. trotz dreier Entscheidungen des BGH umstritten. Es stellten sich zwei grundlegende Fragen:
1) |
Ist die Bestellung von Kreditsicherheiten aus dem Gesellschaftsvermögen für Gesellschafterdarlehen ohne Gefahr der Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO zumindest bei gleichzeitiger Bestellung mit der Darlehensgewährung möglich (Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO)? |
2) |
Wird nach Verwertung einer anfechtbar erlangten Sicherheit früher als ein Jahr vor Insolvenzantrag die 10-Jahres-Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch die Ein-Jahres-Anfechtung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gesperrt? |
Rz. 432
Keine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs nach § 142 InsO (zu Frage 1):
Der BGH hat für den Fall eines atypisch stillen Gesellschafters einer GmbH entschieden, dass dessen Darlehensrückzahlungsanspruch nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig ist und dass (auch) die Zug um Zug gegen die Darlehenshingabe aus dem Gesellschaftsvermögen gewährte Kreditsicherheit nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist. In einer weiteren Entscheidung hat der BGH geurteilt, dass das Bargeschäftsprivileg des § 142 InsO für die Anfechtung der Bestellung einer Sicherheit für ein Gesellschafterdarlehen nicht gilt. Zur Begründung hat der BGH auf Sinn und Zweck der §§ 135 Abs. 1 Nr. 1 und 142 InsO verwiesen: das mit der Darlehensgewährung übernommene Risiko dürfe der Gesellschafter nicht auf die Gläubigergemeinschaft abwälzen, die durch die Darlehensgewährung übernommene Finanzierungsfolgenverantwortung sei bei der Auslegung des § 135 Abs. 1 InsO weiterhin beachtlich. Außerdem unterliefe die Privilegierung anfänglicher Sicherheiten das gesetzliche Ziel in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen im Jahr vor Insolvenzantragstellung konsequent der Anfechtung zu unterwerfen. Die Unanwendbarkeit des § 142 InsO auf die Besicherung von Gesellschafterdarlehen gilt auch für Insolvenzverfahren, die nach dem 4.4.2017 (Inkrafttreten der Reform des Anfechtungsrechts) eröffnet wurden.
In der Lit. wird die letztgenannte Entscheidung kritisiert und vertreten, dass die Sicherheitsgewährung nach § 142 InsO nicht anfechtbar sein soll, wenn sie bereits Zug um Zug gegen die Darlehensgewährung durch den Gesellschafter erfolgte und werthaltig war und blieb, denn dann habe der Gesellschafter durch seine Darlehensgewährung ein Insolvenzrisiko im Verhältnis zur Gesellschaft bzw. zu deren Gläubigern bzw. eine Finanzierungsfolgenverantwortung gerade nicht übernommen bzw. übernehmen wollen. Letzteres scheint mir mit dem Wortlaut des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO und der den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegenden und vom BGH gestärkten (s.o.) Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters jedoch nicht vereinbar: die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters folgt bereits aus dem Umstand der Darlehensgewährung. Nicht zu verkennen ist jedoch, dass die Gesellschafter auf die nicht anfechtbare Nutzungsgewährung (s.o., § 135 Abs. 3 InsO) etwa im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ausweichen werden, wodurch der Insolvenzmasse zusätzlich die Pauschalen nach § 171 InsO entgehen werden. Insoweit sieht Bitter in der BGH-Entscheidung zur Unanwendbarkeit des § 142 InsO bei der Besicherung von Gesellschafterdarlehen auch einen Wertungswiderspruch zum gesetzlichen Konzept der Nutzungsüberlassung in § 135 Abs. 3 InsO, da beide Vorgänge wirtschaftlich vergleichbar sind.
Nachträglich bestellte Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen sind m.E. in jedem Falle nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar.
Nach einer anderen Auffassung in der Lit. sind Kreditsicherheiten aus dem Gesellschaftsvermögen für Gesellschafterdarlehen per se unbeachtlich, weil bereits aus der Sicherungsabrede und dem Nachrang der Gesellschafterforderung folge, dass die Sicherheit für die nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangige Forderung freizugeben ist. Daraus würde sich ergeben, dass die Kreditsicherheiten auch über den Zehn-Jahreszeitraum hinaus unbeachtlich sind und die gesetzliche Vorschrift für die in der Praxis relevanten Fälle überflüssig ist.
Rz. 433
Keine Sperrwirkung der Befriedigung früher als ein Jahr vor Insolvenzantrag (zu Frage 2):
In der Lit. wurde außerdem beinahe einhellig vertreten, dass die Anfechtung der Sicherheit ausgeschlossen sein soll, wenn die zur Befriedigung des Gesellschafters führende Verwertung der Sicherheit früher als ein Jahr vor Insolvenzantrag erfolgte (Sperrwirkung des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Das hat der BGH nun anders entschieden. In dem entschiedenen Fall ...