Rz. 153
In der Restrukturierungspraxis ist die Rangrücktrittsvereinbarung regelmäßig ein Instrument zur Beseitigung oder Verhinderung der Überschuldung der zu sanierenden Gesellschaft. In der Krise der Gesellschaft wird der Rangrücktritt von den Gesellschaftern regelmäßig als erster Sanierungsbeitrag zu erwarten sein; das kann auch den Rangrücktritt zu Pensionszusagen durch den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer umfassen.
Rz. 154
Heute ist – abgesehen von vereinzelten Auffassungen in der Lit. – nicht mehr streitig, dass ein wirksamer Rangrücktritt den Überschuldungsstatus entlastet (Problem § 39 Abs. 2 InsO) und so zur Insolvenzvorbeugung geeignet ist. Sowohl für Gesellschafterforderungen ist das entschieden als auch für Forderungen von Nicht-Gesellschaftern: Auch der Rangrücktritt eines Nicht-Gesellschafters reicht für die Entlastung des Überschuldungsstatus aus, weil die vom Rangrücktritt erfasste Verbindlichkeit nur noch befriedigt werden darf, wenn das Aktivvermögen des Schuldners seine Verbindlichkeiten übersteigt.
Rz. 155
Ein gesetzliches Formerfordernis besteht für die Rangrücktrittsvereinbarung nicht. Sie muss jedoch für den Geschäftsführer eine zweifelsfreie Beurteilungsgrundlage darstellen. Daher ist eine eindeutige Willenserklärung des Gläubigers erforderlich, weil ein Wille zur Schwächung der eigenen Rechte sonst nicht zu vermuten ist. Damit dürfte eine konkludente Rangrücktrittserklärung nur ganz ausnahmsweise vorstellbar sein. Zu empfehlen ist selbstverständlich Schriftform.
Rz. 156
Der Rangrücktritt kann auch zugleich mit der Darlehensausreichung und im Darlehensvertrag auch als AGB vereinbart werden. Diese unterliegt der Wirksamkeitsprüfung nach §§ 305 ff. BGB. Bei einem Privatdarlehen ist eine Nachrangabrede objektiv ungewöhnlich, was aber allein noch nicht zwingend zu ihrer Unwirksamkeit führt. Die Klausel ist dann nicht überraschend, wenn sie drucktechnisch besonders hervorgehoben ist. Inhaltlich müssen die Voraussetzungen für einen qualifizierten Rangrücktritt zumindest als Eckpunkte enthalten sein. Bei sog. hybriden Finanzierungsinstrumenten (etwa Genussrechten, Nachrangeinlagen, etc.) kann die mit ihrer Vereinbarung gleichzeitige Vereinbarung des Rangrücktritts durch AGB, insbesondere in der Beitrittserklärung selbst, mit den Geboten von Treu und Glauben unvereinbar sein oder zum Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB in Widerspruch stehen. Eine mit "Nachrangigkeit" überschriebene Klausel in Genussrechtsbedingungen, aus der sich klar der Nachrang gegenüber einfachen Insolvenzgläubigern ergibt, ist keine zur Nichtigkeit führende unangemessene Benachteiligung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot. Auch eine vorformulierte Nachrangvereinbarung in Anleihebedingungen von Inhaberschuldverschreibungen ist nicht überraschend, weil nicht ungewöhnlich. Sie kann nicht nach § 307 Abs. 1 – 3 BGB überprüft werden, weil sie keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung ist. Jedenfalls unwirksam ist die AGB-Nachrangabrede, wenn sie den Zweck, die Insolvenz des Schuldners zu vermeiden oder zu beseitigen, nicht erreichen kann, weil der Gläubiger im Insolvenzfall nicht hinter die Forderungen nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zurücktritt.
Bei einem Nachrangdarlehen ist die in den AGB geregelte vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre (qualifizierter Rangrücktritt) des Inhalts, dass Rückzahlungs- und Zinsansprüche bei Vermögensverfall des Schuldners bereits außerhalb eines Insolvenzverfahrens eingeschränkt sind, als Abrede über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung des Nachrangdarlehens der AGB-Inhaltskontrolle entzogen.
In AGB gegenüber Verbrauchern ist eine qualifizierte Nachrangvereinbarung nur dann hinreichend transparent, wenn sie Rangtiefe, die vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, deren Dauer und die Erstreckung auf die Zinsen klar und unmissverständlich hervorhebt; bei Anknüpfung an den Eintritt von Insolvenzeröffnungsgründen müssen diese klar und unmissverständlich bezeichnet werden.
Rz. 157
Praxishinweis
In der Krise der Gesellschaft sollten jedenfalls für Gesellschafterdarlehen und stille Beteiligungen Rangrücktritte vereinbart werden, da sie andernfalls im Überschuldungsstatus passiviert werden müssen. Von den Gesellschaftern wird der Rangrücktritt regelmäßig als erster Sanierungsbeitrag zu erwarten sein. Er kann auch für Forderungen aus Pensionszusagen durch den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbart werden.
Rz. 158
Die Rechtsnatur des Rangrücktritts hat der BGH als eine zivilrechtliche, privatautonome, der Auslegung zugängliche schuldändernde Vereinbarung nach § 311 Abs. 1 BGB mit Begründung eines selbstständigen Rechts der Gläubiger nach § 328 Abs. 2 BGB qualifiziert. Die Rangrücktrittsvereinbarung stellt keinen Forderungsverzicht dar, weil mit diesem evtl. akzessorische Sicherheiten erlöschen würden und eine Verzinsung der Forderung entfiele. ...