aa) Abgrenzung zu Bankrott
Rz. 220
Nach der früher vom BGH vertretenen Interessentheorie lag bei eigennützigem Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen Untreue nach § 266 StGB vor, bei Handeln im Interesse der Gesellschaft dagegen u.U. Bankrott nach § 283 StGB. Der BGH hat diese Interessentheorie jedoch aufgegeben, sodass nun danach zu differenzieren ist, ob der Vertreter (Geschäftsführer) im Geschäftskreis des Vertretenen tätig geworden ist: bejahendenfalls liegt Bankrott auch bei Eigennützigkeit vor.
Grds. besteht keine Vermögensbetreuungspflicht des Schuldners gegenüber seinen Gläubigern (hier für nach Kaufpreisvereinnahmung auszukehrende Provision) mit der Folge, dass auch keine Pflicht zur Offenbarung der Insolvenzreife i.S.d. Missbrauchstatbestandes des § 266 StGB besteht.
bb) Einzelfälle und Einzelfragen, Beispiele aus der Rspr.
Rz. 221
Grds. setzten als Untreuehandlungen i.S.d. § 266 StGB des Geschäftsführers zu beurteilende Zahlungen den Eintritt eines Vermögensnachteils/-schadens bei der Gesellschaft voraus.
Rz. 222
Unternehmerisches Handlungsermessen: Die Einhaltung der sog. business judgenment rules i.S.d. § 93 Abs. 1 AktG stellt einen "sicheren Hafen" gegen Untreue dar. Risikogeschäfte sind i.d.R. keine Untreue, solange sie auf sachlicher Abwägung beruhen und ein unternehmensinternes Risikomanagementsystem und -controlling besteht. Das schließt allerdings nicht aus, dass unter besonderen Umständen bereits die Existenzgefährdung der GmbH die Untreuestrafbarkeit des Geschäftsführers begründen kann. Eine schlechthin unvertretbare Überschreitung der Grenzen des unternehmerischen Handlungsermessens kann strafbare Untreue nach § 266 StGB sein.
Rz. 223
Vermögensverfügungen des Geschäftsführers sind ggü. der Gesellschaft treuwidrig (und damit wirkungslos), wenn sie geeignet sind, das Stammkapital der Gesellschaft zu beeinträchtigen, wenn der Gesellschaft die Produktionsgrundlagen entzogen werden oder ihre Liquidität gefährdet wird, indem das zur Erfüllung der Verbindlichkeiten benötigte Vermögen entzogen wird. Auch nach den Änderungen in § 30 Abs. 1 GmbHG durch das MoMiG kann Untreue des Geschäftsführers weiterhin in verdeckten Gewinnausschüttungen und in verbotenen, von § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG nicht gedeckten Rückzahlungen von Stammkapital liegen. Hier ist zu beachten, dass die Strafbarkeit nicht etwa durch Einwilligung des Gesellschafters entfallen kann, da diesem die Disposition über das gebundene Vermögen der GmbH aus Gründen des Gläubigerschutzes entzogen ist.
Rz. 224
Einverständliche Entnahmen bereits erzielter Gewinne und die Zahlung von Gewinnvorschüssen sind für sich allein keine Untreue, und zwar auch dann nicht, wenn sie zu Tarnungszwecken falsch verbucht werden; haben die Zahlungen jedoch darüber hinaus gehende schädliche Folgen für die Gesellschaft, kann dies als rechtswidriger Nachteil für die Gesellschaft gewertet werden. Das gilt auch für den faktischen Geschäftsführer.
Rz. 225
Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG n.F. (Aufgabe der Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens) ist die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen (früher eigenkapitalersetzende Darlehen) und die Rückgabe von Nutzungsgut (früher eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung) an den Gesellschafter auch rückwirkend keine Untreue mehr, sofern sie nicht zur Insolvenzreife der Gesellschaft führen. Beachte aber OLG Celle: Nach Aufgabe der Rechtsfigur des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens soll die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens "grds." den Tatbestand des § 283c StGB erfüllen. M.E. kann dies für fällige Darlehensrückforderungen des Gesellschafters nicht gelten. Zahlungen nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG sowie Rückzahlungen von Stammkapital oder die Gesellschaft aushöhlende Leistungen an den Gesellschafter, die für den Geschäftsführer erkennbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen oder diese vertiefen (Existenzvernichtung), können aber sehr wohl strafbare Untreue sein (Zusammenhang mit § 15b Abs. 5 InsO, früher § 64 Satz 3 GmbHG a.F.).
Rz. 226
Zahlungen entgegen § 15b InsO sind straffrei, wenn sie "nur" eine Verletzung des Gläubigergleichbehandlungsgebots sind. Andernfalls können sie Untreue nach § 266 StGB oder Gläubigerbegünstigung nach § 283c StGB (s.u. Rdn 256) sein.
Rz. 227
Die gegen § 5a Abs. 3 Satz 2 GmbHG verstoßende Verwendung der nach § 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG gebildeten Rücklage der UG (haft...