Rz. 655

Nach § 15a Abs. 1 u. 2 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans (die Geschäftsleiter) einer haftungsbeschränkten Gesellschaft (bei der keine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar Vollhafter ist) nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, d.h. unverzüglich, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft zu stellen. Nach der Neufassung des § 15a Abs. 1 InsO durch Art. 5 SanInsFoG[1308] ist der Insolvenzantrag bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit spätestens innerhalb von drei Wochen, bei Eintritt der Überschuldung spätestens innerhalb von sechs Wochen[1309] zu stellen. Durch das SanInsKG[1310] war die Antragsfrist bei Überschuldung für die Zeit vom 9.11.2022 bis 31.12.2023 vorübergehend auf acht Wochen verlängert worden.

 

Rz. 656

Die Insolvenzantragspflicht besteht für jedes einzelne Mitglied des Vertretungsorgans, unabhängig von konkreten Vertretungs- oder Geschäftsführungsregelungen. Dies ergibt sich aus den Formulierungen "jedes Mitglied des Vertretungsorgans" in § 15 Abs. 1 InsO sowie "die Mitglieder des Vertretungsorgans" in § 15a Abs. 1 InsO.

 

Rz. 657

Für die Geschäftsführungen von Finanzinstituten besteht nicht diese unmittelbare Insolvenzantragspflicht, sondern die Anzeigepflicht ggü. der BaFin nach § 46b Abs. 1 KWG.

 

Rz. 658

Die Fristen für die Insolvenzantragstellung darf der Geschäftsführer nur ausnutzen, wenn begründete Sanierungsaussicht besteht,[1311] also aus der ex ante-Betrachtung die begründete Aussicht, dass die Insolvenzreife der Gesellschaft innerhalb von höchstens drei Wochen beseitigt wird.

 

Rz. 659

Die Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers entfällt nicht bereits durch Insolvenzantragstellung eines Gläubigers, sondern erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.[1312] Ob der Schuldner in diesem Fall einen eigenen Insolvenzantrag unter der prozessualen Bedingung stellen kann, dass das Insolvenzgericht auf einen Gläubigerantrag aufgrund vom Schuldner bestrittener Forderung das Insolvenzverfahren eröffnet, ist, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden.[1313]

 

Rz. 660

Zur Frage der ordnungsgemäßen Erfüllung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer durch rechtzeitige und "richtige" Antragstellung i.S.d. § 15a Abs. 4 InsO sei verwiesen auf die Ausführungen zum Straftatbestand der Insolvenzverschleppung

 

Rz. 661

Die Insolvenzverschleppungshaftung kann auch einen Teilnehmer (§ 831 BGB) treffen.[1314] So kann Beihilfe darin liegen, dass gesellschaftsfremde Dritte (z.B. Unternehmenserwerbsinteressenten, Banken, einzelne Gläubiger, etc.) den Geschäftsführer von der gebotenen Insolvenzantragstellung abhalten.

Die Insolvenzantragspflicht trifft auch den faktischen Geschäftsführer.[1315] In der Lit. wird auch vertreten, dass der faktische Geschäftsführer für die Insolvenzantragstellung durch die Gesellschafter oder den Aufsichtsrat zu sorgen hat.

[1308] V. 17.12.2020, BGBl I 2020, S. 3256.
[1309] Zur Organhaftung während des 3-Wochen-Zeitraums nach § 15a Abs. 1 InsO s. Poertzgen, ZInsO 2008, 1196 ff.
[1310] BGBlI 2022, S. 1969.
[1311] BGH, DStR 2001, 1537.
[1313] Nur bejahend entschieden für den Fall der – vom Schuldner bestrittenen – Annahme der internationalen Zuständigkeit durch das Insolvenzgericht, BGH, ZIP 2012, 582.
[1314] Zur Haftung des Teilnehmers an Insolvenzverschleppung s. BGH, DStR 2005, 1743; zu Vertrauensschaden wegen Insolvenzverschleppung und Haftung des Teilnehmers, Bayer/Lieder, WM 2006, 1 ff.
[1315] Ständige Rspr. des BGH, etwa BGH ZIP 2005, 1550; BGH ZIP 2002, 848.

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