aa) Geschäftsleiter weiterhin notwendiges Organ
Rz. 766
Die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft berührt die Organstellung der Vertretungsorgane, etwa des Geschäftsführers der GmbH, als solche nicht. Die Organe bleiben im Amt.
Rz. 767
Nach der herrschenden Amtstheorie ist der Insolvenzverwalter nicht gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft. Er hat auch keine Möglichkeit, die Organstellung des Geschäftsführers zu beenden. Lediglich die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gesellschaft wird dieser und damit dem Geschäftsführer entzogen und geht auf den Insolvenzverwalter über (§ 180 Abs. 1 InsO). Dessen Befugnisse beziehen sich nur auf das vom Insolvenzbeschlag umfasste Vermögen der Gesellschaft (§ 35 InsO).
Rz. 768
Die Existenz eines Geschäftsführers, also das Fortbestehen ordnungsgemäßer Vertretung der Gesellschaft, ist auch verfahrensrechtlich erforderlich. Stirbt bspw. der einzige Geschäftsführer einer GmbH im Insolvenzeröffnungsverfahren, so fehlt es der Gesellschaft an der insolvenzrechtlichen Verfahrensfähigkeit. Es ist also die Bestellung eines Prozesspflegers nach §§ 4 InsO, 57 ZPO oder eines Notgeschäftsführers nach § 29 BGB erforderlich. Ausnahmsweise ist dies nicht der Fall, wenn vor dem Versterben einem Anwalt noch ordnungsgemäß Vollmacht für das Verfahren erteilt worden ist. In einem vom Insolvenzverwalter angestrengten Prozess der GmbH ist ein Prozesspfleger zu bestellen, wenn beide Geschäftsführer ihr Amt niederlegen.
Rz. 769
Auch in der Insolvenz der Gesellschaft kann die Amtsniederlegung des Geschäftsführers rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein. Legt bspw. der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ein-Personen-GmbH das Geschäftsführeramt ohne einen wichtigen Grund nieder, ohne zugleich einen neuen Geschäftsführer zu bestellen, ist diese Amtsniederlegung rechtsmissbräuchlich, da sie die GmbH handlungsunfähig macht. Das gilt trotz § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 15a Abs. 3 InsO auch in der Insolvenz.
bb) Einfluss auf die Organstellung, Befugnisse
Rz. 770
Die Organfunktion des Geschäftsführers bleibt bestehen, ihre gesetzliche Vertretungsmacht erhalten, wenn auch stark eingeschränkt durch die auf den Insolvenzverwalter übergegangene Befugnis zur Verwaltung und Verwertung des Vermögens (§ 80 Abs. 1 InsO). Der Geschäftsführer bleibt zwar im Amt, er nimmt allerdings nur noch die Aufgaben wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen. Er behält etwa die Befugnis zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, nicht jedoch die Befugnis zur Einberufung einer Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger. Das gilt auch für Liquidatoren bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aus einer Liquidation der Gesellschaft heraus.
Rz. 771
Im insolvenzfreien Bereich der Gesellschaft bestehen die Kompetenzen des Geschäftsführers unverändert weiter. So wird die GmbH etwa in einem Verwaltungsprozess wegen Gewerbeuntersagung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vom Insolvenzverwalter, sondern vom Geschäftsführer vertreten, weil sich die Gewerbeuntersagungsverfügung nicht gegen die Insolvenzmasse, sondern gegen die Gesellschaft richtet. Der Insolvenzverwalter ist nur Beigeladener. Die Gewerbeuntersagung kann auch noch nach Anordnung vorläufiger Insolvenzverwaltung erfolgen, wenn Grund nicht allein ungeordnete Vermögensverhältnisse sind.
Auch verbleibt die Klage- und Prozessführungsbefugnis einer Personengesellschaft (etwa GmbH & Co.KG) gegen Gewinnfeststellungsbescheide des Finanzamts (zumindest für frühere Jahre) bei der Gesellschaft und geht nicht auf den Insolvenzverwalter über. Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen in Liquidation befindliche Personengesellschaft wird in diesem Verfahren dann durch ihren Liquidator vertreten
Rz. 772
Etwa nach Freigabe eines Vermögensgegenstands durch den Insolvenzverwalter (§ 32 Abs. 3 InsO) lebt insoweit die Verfügungsbefugnis der Gesellschaft und damit auch die insoweitige Verantwortung des Geschäftsführers wieder auf. Dies hat besondere Bedeutung im Fall der Freigabe eines kontaminierten Grundstücks. Der Insolvenzverwalter kann dann nicht als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden. Dasselbe gilt nach Freigabe von Abfallgegenständen, wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb, der den Abfall verursachenden Anlage nicht aufgenommen hatte.
Nach Freigabe eines Massegegenstandes oder einer Forderung im laufenden Klageverfahren, die bereits bei Insolvenzeröffnung vorhanden waren, findet entgegen § 265 ZPO ein Parteiwechsel mit der Wirkung statt, dass der Insolvenzschuldner Partei des Prozesses wird. Das gilt nicht...