Rz. 68
Bei Zahlungseinstellung wird nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO das Vorliegen von Zahlungsunfähigkeit gesetzlich widerleglich vermutet.
aa) Definition
Rz. 69
Zahlungseinstellung ist dasjenige äußere Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass er nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, so dass sich den betroffenen Verkehrskreisen der Eindruck aufdrängt, dass der Schuldner außerstande ist, seine fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen.
Rz. 70
Auch die Zahlungseinstellung ist von einer rechtlich unerheblichen Zahlungsstockung abzugrenzen, muss also länger als drei Wochen bestehen.
Ob auch bei Zahlungseinstellung die Feststellung erforderlich ist, zu welchem Anteil der Schuldner die fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt, ob also auch hier die 10 %-Grenze gem. der Entscheidung BGH, ZIP 2005, 1426, gelten würde, hatte die Rspr. zunächst offengelassen. Im Folgenden hat der BGH entschieden, dass es bei Feststellung einer Zahlungseinstellung nicht der darüber hinausgehenden Darlegung und Feststellung der genauen Höhe der fälligen Verbindlichkeiten oder gar der Unterdeckung von mindestens 10 % bedarf. Die 10 %-Grenze ist hier nicht maßgeblich, weil bei Feststellung der Zahlungseinstellung die zusätzliche Feststellung einer Liquiditätsunterdeckung nicht erforderlich ist.
Rz. 71
Zahlungseinstellung erfordert nicht, dass der Schuldner alle Zahlungen eingestellt hat. Sie kann bereits vorliegen, wenn noch vereinzelt Zahlungen geleistet werden und sogar dann, wenn die Zahlungen noch beträchtliche Höhen erreichen, aber im Verhältnis zu den fälligen Verbindlichkeiten nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Auch große durchschnittliche Tagesumsätze sprechen nicht gegen Zahlungseinstellung, wenn mit ihnen nur noch "Löcher gestopft" werden und sie zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreichen, wenn der Schuldner also über mehrere Monate "am finanziellen Abgrund wirtschaftet" und nur noch darum bemüht ist, die Gläubiger zu befriedigen, die ihn am stärksten bedrängen.
bb) Indizien
Rz. 72
Die Feststellung der Zahlungseinstellung ihrerseits kann nicht nur durch eine Gegenüberstellung der beglichenen und offenen fälligen Verbindlichkeiten, sondern auch mithilfe von Indiztatsachen getroffen werden. Eine besonders aussagekräftige Grundlage für die Feststellung der Zahlungseinstellung ist die Erklärung des Schuldners, aus Mangel an liquiden Mitteln nicht zahlen zu können; dies gilt auch, wenn der Schuldner diese Erklärung mit einer Bitte um Ratenzahlung oder Stundung verknüpft. Ausnahmsweise ist die bloße Stundungsbitte des Schuldners kein Indiz für Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält. Das gilt aber dann nicht, wenn der Schuldner zugleich kommuniziert, auch andere Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können.
Fehlt es an einer solchen Erklärung, müssen die für eine Zahlungseinstellung sprechenden sonstigen Umstände ein einer solchen Erklärung entsprechendes Gewicht erreichen. Dabei kann die Zahlungseinstellung bereits aus einem einzelnen Indiz gefolgert werden, wenn dieses eine hinreichende Aussagekraft hat. Fehlt es an einer solchen Indiztatsache, kommt der Schluss auf eine Zahlungseinstellung nur aus einer Gesamtschau mehrerer Indizien in Betracht. Solche Indiztatsachen können sein:
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tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen/maßgeblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten, |
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das gilt auch für die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit, wenn wenn sie von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist, |
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erhebliche Zahlungsrückstände, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr vollständig beglichen werden |
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fällige Verbindlichkeiten, die im für die Deckungsanfechtung oder gar für die Vorsatzanfechtung maßgeblichen Zeitraum bestanden haben und bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, |
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verspätete Zahlungen über einen längeren Zeitraum = dauerhaft schleppende Zahlungsweise, |
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Nichtzahlung wichtiger, typischerweise bei Fälligkeit gezahlter Verbindlichkeiten wie Löhne und Sozialversicherungsbeiträge über einen längeren Zeitraum; nicht aber bei bloß um ca. 3 – 4 Wochen verspäteter Zahlung über einen längeren Zeitraum von 10 Monaten, beachte aber: |
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schleppende Zahlung von Löhnen und Gehältern kann doch Indiz für Zahlungseinstellung sein, ebenso verspätete Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen über mehrere Monate. |
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Nichtzahlung einer ... |