Rz. 172
Regelmäßig werden Sicherheiten für vom Rangrücktritt erfasste Forderungen nicht bestehen. Sind doch Sicherheiten aus dem Vermögen des Schuldners vereinbart, etwa Sicherungsübereignung, Sicherungszession, Grundschuld, erhebt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rangrücktritts und ggf. nach der Auswirkung des Rangrücktritts auf die Sicherheiten
Rz. 173
Grds. hat der Nachrang einer Forderung nach § 39 InsO keinen Einfluss auf die Sicherheiten. Sie bleiben also bestehen. Nach meinem Dafürhalten wäre dann aber der Rangrücktritt insgesamt wirkungslos, weil es für die übrigen Gläubiger keinen Unterschied macht, ob der Rangrücktrittsgläubiger durch Zahlung oder durch Verwertung der Sicherheit aus dem Schuldnervermögen befriedigt wird: in jedem Fall verringert sich die den vorgehenden Gläubigern zur Verfügung stehende Befriedigungsmasse. In Wahrheit wäre also nur ein Nachrang für den Teil der Forderung vereinbart, der über den Sicherheitenverwertungserlös hinausgeht. Dann aber kann die Passivierung der Verbindlichkeit im Überschuldungsstatus nicht in voller Höhe unterbleiben. Der Rangrücktritt kann also seine Wirkung, den Überschuldungsstatus um die erfasste Verbindlichkeit ab dem Zeitpunkt seiner Vereinbarung zu entlasten, nicht entfalten, wenn der Gläubiger im Insolvenzfall die Sicherheit aus dem Schuldnervermögen im Wege der Absonderung geltend machen kann. Für die Beseitigung der Überschuldung durch Rangrücktritt müssen also auch die Sicherheiten von der Rangrücktrittsvereinbarung dergestalt erfasst werden, dass sie für die Dauer der Überschuldung ebenfalls nicht beansprucht werden.
Rz. 174
Ob der Rangrücktrittsgläubiger ohne ausdrückliche Vereinbarung über den Einbezug der Sicherheiten in der Insolvenz des Schuldners das aus der Sicherheit folgende Absonderungsrecht geltend machen kann mit der Folge, dass er nur mit seiner verbleibenden Forderung (§ 52 InsO) nachrangiger Gläubiger wäre, war fraglich. Nach wohl h.M. kann der Rangrücktrittsgläubiger sein Absonderungsrecht nicht geltend machen und hat die Sicherheiten freizugeben. Das ergibt sich m.E. aus der Rechtsnatur des Rangrücktritts gem. der BGH-Entscheidung v. 5.3.2015. Ist die Rangrücktrittsvereinbarung ohne Zustimmung der Gläubiger nicht mehr aufhebbar und sind die Forderung damit dauerhaft nicht mehr durchsetzbar, kann das Gegenteil nicht über die Sicherheitenverwertung erreicht werden.
Hinzu kommt: Der Vereinbarung von Sicherheiten wird regelmäßig eine Sicherungsabrede zugrunde liegen. Wenn, wie meist, die nachrangigen Gläubiger keinerlei Befriedigung im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners erwarten können, dürfte sich der Sicherungszweck erledigt haben. Auch daraus folgt eine (dauerhafte) Einrede gegen die Geltendmachung der Sicherheit bzw. ein Freigabeanspruch.
Rz. 175
Praxishinweis
Da die vorstehenden Rechtsfragen aber nicht mit letzter Sicherheit geklärt sind und es darum geht, einen sofort wirksamen, die Passivierungspflicht der Verbindlichkeit beseitigenden Rangrücktritt zu gestalten, ist für den Rangrücktritt mit einer (teilweise) gesicherten Forderung anzuraten, den Rangrücktritt ausdrücklich auch auf die Sicherheit zu erstrecken, also sinngemäß zu vereinbaren, während des Laufs der Rangrücktrittsvereinbarung die Sicherheit nicht zu verwerten und sie im Insolvenzverfahren freizugeben.
Rz. 176
Bei streng akzessorischen Sicherheiten (z.B. Hypothek, Pfandrecht) ist diese "Vorsichtsmaßnahme" nicht nötig, da nach §§ 1137 Abs. 1, 1211 Abs. 1, 1257, 1273 Abs. 2 BGB der Rangrücktritt einredeweise gegen die Inanspruchnahme der Sicherheit geltend gemacht werden kann.