Rz. 550
Entscheidet sich der Schuldner/Geschäftsführer für die Durchführung des Restrukturierungsvorhabens mit den gerichtlichen Instrumenten nach § 29 Abs. 2 StaRUG und zeigt dieses nach § 31 Abs. 1 StaRUG dem Restrukturierungsgericht an mit der Folge, dass die Restrukturierungssache rechtshängig wird (§ 31 Abs. 3 StaRUG), so hat der Schuldner nach §§ 32 Abs. 1 Satz 1, 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG die Pflicht, die Restrukturierungssache mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers zu betreiben und dabei die Interessen der Gläubigergesamtheit zu wahren (sog. shift of duties, Primat der Gläubigerinteressen). Insbesondere hat er Maßnahmen zu unterlassen, welche sich mit dem Restrukturierungsziel nicht vereinbaren lassen oder welche die Erfolgsaussichten der in Aussicht genommenen Restrukturierung gefährden. Das Gesetz sieht dabei Zahlungen auf solche Forderungen als "in der Regel" mit dem Restrukturierungsziel unvereinbar an, die im Restrukturierungsplan gestaltet werden können.
Rz. 551
Begründet wird diese Verlagerung des Sorgfaltspflichten mit der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Gläubiger, die einerseits aus der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und andererseits aus dem Umstand folgt, dass einzelne Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsverfahrens z.T. erheblich in ihre Rechte eingreifen können.
Rz. 552
Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 StaRUG haften die Geschäftsführer haftungsbeschränkter Gesellschaften für die Verletzung der vorstehend genannten Pflichten dem Schuldner (der Gesellschaft) in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens, es sei denn, sie haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Dieser Maßstab für die Schadensberechnung ist neu und unterstreicht die Bedeutung der Pflicht zur Wahrung der Gläubigerinteressen. Auch diese Haftung ist als Innenhaftung ausgestaltet. Die Regelung ist kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Das Verschulden des Geschäftsführers wird vermutet.
Rz. 553
Die Regelung birgt einige, erst von der Rspr. zu klärende Zweifelsfragen:
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Die nunmehr statuierten Sanierungspflichten sind etwas diffus und könnten evtl. sogar zu einem sog. "chilling effect" führen, dass der Geschäftsführer also aus Sorge vor persönlichen Haftungsgefahren vor unternehmerischen (Sanierungs-)Entscheidungen zurückschreckt. Im Stadium der evtl. erst in 18–24 Monaten drohenden Zahlungsunfähigkeit kann es denkbar sein, dass bei einer sofortigen Liquidation der Gesellschaft sämtliche Gläubigerforderungen vollständig befriedigt werden könnten und diese sich somit als der für die Gläubigerbefriedigung sicherste Weg darstellt, weil die mit jeder Unternehmensfortführung, zumal zu Sanierungszwecken verbundenen Risiken und Sanierungsaufwendungen entfallen. Die Liquidation aber wäre genau das Gegenteil der Intentionen des Restrukturierungsverfahrens. Hier bleibt zu hoffen, dass die Rspr. die Haftungsmaßstäbe für den Geschäftsführer trotz seiner nun ausdrücklichen und nicht mehr nur reflexhaften Verpflichtung auf die Gläubigerinteressen nicht zu sehr erhöht, sondern es im Grunde bei dem unternehmerischen Handlungsermessen gem. der business judgemet rule, lediglich nunmehr ausgerichtet am Sanierungszweck, belässt. Der Ansatz hierfür kann in der gesetzlichen Formulierung "Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sanierungsgeschäftsführers" gesehen werden. |
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Auch die weiteren, vorstehend beschriebenen Vergleichbarkeiten mit der Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG, der im GmbH-Recht entsprechend angewendet wird, lassen hoffen, dass dem (Sanierungs-)Geschäftsführer auch hier das unternehmerische Handlungsermessen, die business judgemet rules, nunmehr bezogen auf den Sanierungszweck zugestanden wird. Gibt es mehrere Möglichkeiten von (StaRUG)-Sanierungsmaßnahmen, die die Interessen der Gläubigergesamtheit aus der ex ante-Sicht vergleichbar wahren und weist die Gesellschafterversammlung zu einer bestimmten Maßnahme an, entfällt der Pflichtwidrigkeitsvorwurf für den Geschäftsführer. |
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Können entgegengesetzte Weisungen der Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer binden (§ 37 Abs. 1 GmbHG) mit der Folge der Haftungsentlastung bei Befolgung? Eine dem § 276a InsO für das (vorläufige) Eigenverwaltungsverfahren entsprechende Regelung ist im StaRUG nicht enthalten. Weisungen der Gesellschafterversammlung sind also innerhalb des unternehmerischen Handlungsermessens des Sanierungsgeschäftsführers betreffend das "Wie" der Maßnahmen zulässig. Rechtswidrig und vom Geschäftsführer nicht zu befolgen sind sie, soweit sie den Interessen der Gläubigergesamtheit zuwiderlaufen, da diese in dem gerichtlichen Restrukturierungsverfahren gem. der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 1 StaRUG jedenfalls Vorrang haben.
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Schwierigkeiten werden sich bei der Berechnung des Schadens ergeben. Es wird wohl der Quotengesamtschaden sein; jedoch ist der Vergleichsmaßstab fraglich. Er kann das wirtschaftliche Ergebnis bei unterstelltem pflic... | |