§ 28 Insolvenz- und Strafrecht, Insolvenzgesellschaftsrecht / b) Ausnahmen

Rz. 795

Der Insolvenzverwalter hat jedoch auch ohne vorherige Gesellschafterbeschlüsse die Befugnis,

▪	eine Kaduzierung von Geschäftsanteilen nach §§ 21 ff. GmbHG vorzunehmen,
▪	rückständige Stammeinlagen einzufordern,
▪	die Rückzahlungsansprüche nach §§ 30 Abs. 1 Satz 1, 31 GmbHG geltend zu machen,
▪	Schadensersatzansprüche gegen den Geschäftsführer nach § 43 GmbHG geltend zu machen,
▪	innerhalb des ersten laufenden Geschäftsjahres nach Insolvenzeröffnung den mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu beginnenden Geschäftsjahresrhythmus innerhalb des ersten laufenden Geschäftsjahres[1606] zu ändern: das kann geschehen durch Anmeldung und Eintragung im HReg. oder durch sonstige Mitteilung an das Registergericht.[1607] Die bloße Mitteilung an das Finanzamt reicht nicht.[1608]

Rz. 796

Der Insolvenzverwalter ist zur Erhebung einer Bilanznichtigkeitsklage nach § 256 Abs. 7 AktG gegen die AG befugt, deren Vermögen er zu verwalten hat.^[1609] Der Rechtsanwalt, der die Gesellschaft in diesem Prozess vertritt, hat wegen der Erstattung der Prozesskosten keinen Masseanspruch gegen den Insolvenzverwalter, sondern ist als Neugläubiger zu behandeln.^[1610]

Auch sind Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH, die die Feststellung des Jahresabschlusses, die Entlastung des Geschäftsführers oder die Übernahme von Personalkosten zum Gegenstand haben, gegen den Insolvenzverwalter zu richten, da er nach § 80 InsO die Befugnis zur Vermögensverwaltung hat.^[1611]

Rz. 797

Fraglich ist, wer Berufsgeheimnisträger, die von der zwischenzeitlich insolventen Gesellschaft mandatiert waren, in einem Strafverfahren gegen deren Geschäftsführer von der Schweigepflicht entbinden kann bzw. deren Straftaten offenlegen kann. Hier ist die obergerichtliche Rspr. uneinheitlich:

▪	Entbindung des Wirtschaftsprüfers allein durch den Insolvenzverwalter,[1612]
▪	Entbindung des Steuerberaters (betr. Offenlegung von Straftaten des Organs) allein durch den Insolvenzverwalter nicht ausreichend,[1613]
▪	Entbindung des Anwalts (betr. Offenbarung wirtschaftlicher Geheimnisse) allein durch den Insolvenzverwalter,[1614]
▪	bei Doppelmandat durch die Gesellschaft und den Geschäftsführer an den Berufsgeheimnisträger kann die Schweigepflichtentbindungserklärung kumulativ durch den Insolvenzverwalter und den Organträger erforderlich sein.[1615]

Rz. 798

Ist über das Vermögen eines Gesellschafters einer GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, übt der Insolvenzverwalter die Gesellschafterrechte, insbesondere das Stimmrecht aus.^[1616]

[1606] BGH, ZIP 2017, 732.

[1607] BGH ZIP 2015, 88.

[1608] OLG Frankfurt am Main, ZIP 2016, 228; BGH, ZIP 2017, 732.

[1609] OLG Dresden, ZIP 2017, 2003; OLG Dresden, ZIP 2018, 1069; BGH NZG 2021, 1603.

[1610] OLG Dresden, ZIP 2018, 137.

[1611] OLG München, ZInsO 2010, 2142.

[1612] OLG Nürnberg, ZIP 2010, 386.

[1613] OLG Zweibrücken, ZIP 2017, 537.

[1614] OLG Köln, ZIP 2016, 331.

[1615] OLG Hamm, ZIP 2018, 91.

[1616] OLG München, ZIP 2010, 1756.