aa) Spezifische Insolvenzrechtliche Pflichten
Rz. 857
Der Geschäftsführer des (vorläufig) eigenverwaltenden Schuldners hat selbstverständlich die spezifischen insolvenzverfahrensrechtlichen Pflichten, vergleichbar den Pflichten des (vorläufigen) Insolvenzverwalters zu wahren, zu welchen u.a. gehören:
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Sicherung der Insolvenzmasse, |
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Beachtung von Aus- und Absonderungsrechten, |
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ordnungsgemäße Fortführung des Unternehmens unter Aufrechterhaltung des Zahlungsverkehrs, soweit nicht der (vorläufige) Sachwalter die Kassenführung nach §§ 270a Abs. 2, 270b Abs. 2, 270c, 275 Abs. 2 InsO an sich gezogen hat (zur evtl. Haftung des Geschäftsführers nach § 15b InsO s.u. Rdn 866 ff.), |
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Erstellung und Erstattung der Berichte an die Gläubigerversammlung, § 156 InsO, |
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Ausübung der Wahlrechte nach § 103 ff. InsO. |
bb) Pflicht zur Sorgfalt des ordentlichen Geschäftsmannes
Rz. 858
Nach ganz h.M. hat der Geschäftsführer in (vorläufiger) Eigenverwaltung die allgemeinen Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft etwa nach §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 1 AktG zu beachten. Dabei ist das vom Geschäftsführer zu befolgende Interesse entsprechend dem Zweck des Insolvenzverfahrens des Befriedigungsinteresse der Gläubigergesamtheit. Ob der (vorläufige) Eigenverwalter für unternehmerische Fehlentscheidungen im Rahmen der Betriebsfortführung haftet, ist somit nach dem Insolvenzzweck der bestmöglichen gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger unter Berücksichtigung der von ihnen getroffenen Entscheidungen zu beurteilen. Eine Innenhaftung wegen Verletzung der den Schutz des Gesellschaftsinteresses (und damit des Befriedigungsinteresses der Gläubigergesamtheit) bezweckenden allgemeinen Sorgfaltsnormen der §§ 43 GmbHG, 93 AktG könne hingegen zumindest eingeschränkt bzw. ergänzend in Betracht kommen, zumal deren Anwendung nach der Entscheidung des BGH zur Außenhaftung analog §§ 60, 61 InsO (s.u. Rdn 862) nicht verdrängt ist. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG und die sog. business judgement rules sind aber nicht entsprechend anwendbar; § 60 Abs. 1 Satz 2 InsO eröffnet einen ausreichenden Rechtsrahmen.
Außerdem hat er den Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen (§ 270d Abs. 4 Satz 1 InsO).
Rz. 859
Die Rechtsfolge der Verletzung dieser Pflichten ist, soweit ersichtlich, noch nicht ausgeurteilt. Nach der wohl h.M. führen Verletzungen der vg. Pflichten zur Haftung der Geschäftsleiter nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG. Trotz der Ausrichtung des Gesellschaftsinteresses am Gläubigerinteresse bleibt die Haftung des Geschäftsführers nach diesen Vorschriften reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, die der Sachwalter geltend machen könnte, § 280 InsO. Dies hat der BGH in seiner Entscheidung zur Außenhaftung des eigenverwaltenden Geschäftsleiters gegenüber Gläubigern nach §§ 60, 61 InsO analog (s.u. Rdn 862) bestätigt. Die Innenhaftung kann der Sachwalter geltend machen, § 280 InsO.
cc) Pflicht zur Vorlage eines Insolvenzplans?
Rz. 860
Soweit ersichtlich, ist nicht geklärt, ob der Geschäftsführer für die Vorlage eines Insolvenzplans, der in die Stellung der Gesellschafter eingreift, einen Gesellschafterbeschluss braucht. Dieses gesellschaftsrechtliche Erfordernis wird in der Lit. teilweise angenommen. Dagegen könnte sprechen, dass die Gesellschafterrechte im förmlichen Insolvenzverfahren suspendiert sein könnten. Insolvenzrechtlich dürfte die Planvorlage jedenfalls auch ohne Einverständnis der Gesellschafter wirksam sein.
Auch wenn im Schutzschirmverfahren nach § 270d InsO verfahrensrechtlich für den Schuldner nicht die Pflicht besteht, selbst einen Insolvenzplan vorzulegen, dürfte der Geschäftsführer einerseits aus dem Verfahrensziel und andererseits aus seiner Verpflichtung zur Vornahme geeigneter Sanierungshandlungen nach §§ 43 Abs. 1 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG regelmäßig zur Planvorlage verpflichtet sein. Die Kausalität der Verletzung dieser Pflicht für einen evtl. Schaden der Gesellschaft wäre jedoch genau zu prüfen.