Rz. 358
Nach der Rspr. des BGH sind die von Rspr. und Schrifttum zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelten Grundsätze für die Auslegung des § 135 Abs. 1 InsO grds. fruchtbar zu machen. Der persönliche Anwendungsbereich der Regelungen über die Gesellschafterfinanzierung, also die Einbeziehung einem Gesellschafter gleichgestellter Dritter bleibt gegenüber dem früheren Eigenkapitalersatzrecht unverändert. Durch die Gesetzesformulierungen "Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen (Gesellschafter-)Darlehen wirtschaftlich entsprechen" in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und "gleichgestellte Forderung" bzw. "einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen" in § 135 InsO wird der frühere § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG a.F. in personeller Hinsicht (gleichgestellte Dritte) übernommen, was insbesondere für mit dem Gesellschafter horizontal oder vertikal verbundene Unternehmen gilt. Somit kann für die Frage der Reichweite der Neuregelungen im Verhältnis zu Dritten auf die zum Eigenkapitalersatzrecht entwickelte Rspr. zurückgegriffen werden. Damit ist das Darlehen eines Dritten/Nichtgesellschafters als Gesellschafterdarlehen zu bewerten, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einem Gesellschafter gleichsteht. Die Zurechnung kann auf mehrere Arten erfolgen:
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der darlehensgebende Dritte ist selbst mittelbar an der darlehensnehmenden Gesellschaft beteiligt (mittelbarer Gesellschafter, Gesellschafter-Gesellschafter), |
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der darlehensgebende Dritte wird vom (auch mittelbaren) Gesellschafter der darlehensnehmenden Gesellschaft mit bestimmendem Einfluss auf Gewährung oder Abzug des Darlehens beherrscht, |
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der darlehensgebende Dritte wird vom Gesellschafter eingeschaltet, um der darlehensnehmenden Gesellschaft Darlehen aus Mitteln des Gesellschafters zu geben (Mittelsperson). |
Rz. 359
Danach sind die Darlehen folgender Nichtgesellschafter als Darlehensgeber dem Gesellschafterdarlehen i.S.d. §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO gleichzustellen und somit in den Anwendungsbereich der Vorschriften einzubeziehen (gesellschaftergleiche Dritte):
(1) Vertikal (Gesellschafter-Gesellschafter als Darlehensgeber): Darlehensgeber ist mittelbar (über eine oder mehrere) Zwischengesellschaften an darlehensnehmender Gesellschaft beteiligt. Die mittelbare Beteiligung muss "durchgerechnet" die Kleinbeteiligungsschwelle von 10 % des § 39 Abs. 5 InsO überschreiten; ein beherrschender Einfluss des Gesellschafters auf die darlehensnehmende Gesellschaft ist nicht erforderlich.
(2) Horizontal, z.B. Schwestergesellschaften als Darlehensgeber: Der – auch über "Zwischengesellschaften" mittelbare – Gesellschafter der darlehensnehmenden Gesellschaft (Ausn.: Kleingesellschafter nach § 39 Abs. 5 InsO) ist an der darlehensgebenden Gesellschaft maßgeblich beteiligt. Eine maßgebliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Gesellschafter der darlehensnehmenden Gesellschaft zu mehr als 50 % an der darlehensgebenden Gesellschaft beteiligt oder zu genau 50 % Gesellschafter ist und zusätzlich einzel- oder alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer des Darlehensgebers ist. Eine maßgebliche Beteiligung des mit mehr als 10 % mittelbaren Gesellschafters der darlehensnehmenden Gesellschaft an der darlehensgebenden Gesellschaft wurde auch bejaht, wenn der (mittelbare) Gesellschafter der darlehensnehmenden Gesellschaft auf die Entscheidungen der Geschäftsführung der darlehensgebenden Gesellschaft, etwa die Entscheidung über Gewährung oder Abzug der Darlehensmittel bestimmenden Einfluss ausüben kann, insbesondere durch Gesellschafterbeschlüsse maßgebliche Weisungen erteilen kann. Ob dafür die Mehrheit der Stimmenanteile in der Gesellschafterversammlung erforderlich ist oder ob die rein tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit, die Entscheidungen allein treffen zu können, ausreicht, hat der BGH in der vg. Entscheidung offengelassen.
Eine zur Qualifikation als Gesellschafterdarlehen führende mittelbare Beteiligung als Gesellschafter wurde auch in folgender Fallgestaltung angenommen:
Beispiel:
X war einziger Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH. Diese gewährte der später insolventen S-GmbH & Co.KG ein Darlehen. Komplementärin der KG war die Verwaltungs-GmbH, an der X mit 10 % beteiligt war und deren Geschäftsführer X war. Die S-GmbH & Co.KG zahlte das gewährte Darlehen im anfechtungsrelevanten Zeitraum an die X-GmbH zurück; der Anfechtungsanspruch nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wurde bejaht.
(3) Stiller Gesellschafter: Bei der stillen Gesellschaft muss zunächst unterschieden werden, ob der stille Gesellschafter auch (unmittelbar oder mittelbar) regulärer Gesellschafter der haftungsbeschränkten Gesellschaft ist. Bejahendenfalls ist seine zusätzliche stille Einlage einem Gesellschafterdarlehen vergleichbar. Hat ein (mittelbarer) Gesellschafter zusätzlich zu seiner (mittelbaren) Beteiligung an der Gesellschaft (hier: GmbH) eine (typische) stille Beteiligung übernommen, stellt der Anspruch auf Rückgewähr der stillen Einlage eine e...