Rz. 531
Die Regelung weist Überschneidungen mit mehreren anderen Gläubigerschutzinstrumenten auf.
Rz. 532
Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Ausschüttung des Stammkapitals in § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG kann für den Geschäftsführer eine Schadensersatzpflicht nach § 43 Abs. 3 GmbHG entstehen.
Rz. 533
Nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG sind Gesellschafterdarlehen oder stille Beteiligungen nicht mehr wie Eigenkapital zu behandeln. Folglich sind deren Rückzahlung keine Eingriffe in das Stammkapital. Bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft kann sich eine Rückzahlungssperre für Gesellschafterdarlehen aber aus § 15b Abs. 5 InsO ergeben.
Rz. 534
Bei einem existenzvernichtenden Eingriff in das Vermögen der GmbH kommt nach dieser von der Rspr. des BGH geprägten Rechtsfigur neben der Haftung des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft im Wege der Innenhaftung wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB auch eine Haftung des Geschäftsführers als Beteiligter nach § 830 BGB in Betracht. I.Ü. berührt die Regelung des § 15b Abs. 5 InsO die bisherige straf- und zivilgerichtliche Rspr. zur Haftung des Gesellschafters für existenzgefährdende bzw. -vernichtende Eingriffe nicht.
Rz. 535
Folglich wurden Anwendungsbereich und Rechtsfolge der Vorgängerregelung in § 64 Satz 3 GmbHG a.F. diskutiert. Dies betraf einerseits die Frage nach der Kausalität zwischen der Zahlung an den Gesellschafter und dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und andererseits die Frage, ob § 64 Satz 3 GmbHG a.F. dem Geschäftsführer ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Gesellschafter gewährte. Bei genauer Betrachtung hat die Vorschrift eigentlich keinen relevanten Anwendungsbereich: Zahlungen auf nicht bestehende oder noch nicht fällige Gesellschafterforderungen darf der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 1 GmbHG nicht leisten; tut er es dennoch, greift die Culpahaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG ein, weil die Herbeiführung der Insolvenz der Gesellschaft, deren Interessen er zu schützen hat, ein evidenter Verstoß gegen die Pflichten des ordentlichen Geschäftsmannes ist. Fällige Gesellschafterforderungen hingegen sind bei der Prüfung bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen. Ggf. sind die Zahlungen dann nach § 15b Abs. 1 InsO (§ 64 Satz 1 u. 2 GmbHG a.F.) verboten. Bei im Zeitpunkt der Zahlung bereits bestehender Zahlungsunfähigkeit fehlt es somit an der Kausalität der Zahlung für den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit. Nicht zu verkennen ist, dass bei dieser Auslegung der Anwendungsbereich des § 64 Satz 3 GmbHG a.F. – wenn es ihn überhaupt gibt – vernachlässigbar klein war, ja auf den wohl eher theoretischen Fall der Vergrößerung einer unwesentlichen (kleiner als 10 %) zu einer wesentlichen (größer als 10 %) Liquiditätsdeckungslücke beschränkt war.
Rz. 536
Der BGH hat zu diesen Fragen Stellung genommen: § 64 Satz 3 GmbHG a.F. greift nicht ein, wenn die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Zeit der Zahlung an den Gesellschafter bereits besteht; dann fehlt es an der erforderlichen Kausalität der Zahlung für den Insolvenzeintritt. Allerdings sei die Forderung des Gesellschafters bei der Beurteilung der (künftigen) Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu berücksichtigen, weil im Rahmen des § 64 GmbHG a.F. kein anderer Begriff der Zahlungsunfähigkeit gelte als für §§ 17, 18 InsO. Im Übrigen hat der BGH einen verbleibenden (kleinen) Anwendungsbereich des § 64 Satz 3 GmbHG a.F. definiert:
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Vergrößerung der Liquiditätsunterdeckung auf über 10 % durch die Zahlung an den Gesellschafter, |
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Zahlung auf eine nur wirtschaftlich (nicht rechtlich) gestundete Forderung des Gesellschafters (= nicht ernsthaft eingeforderte Forderung des Gesellschafters), |
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Zahlungen auf Gesellschafterdarlehensforderungen, für die ein Rangrücktritt vereinbart war, |
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die Zahlung an den Gesellschafter führt absehbar zur Rückforderung von Kreditleistungen durch Dritte bzw. Zahlungen auf Gesellschafterforderungen, von deren Belassen dritte Kreditgeber die Gewährung oder den Fortbestand oder die Verlängerung der Kredite abhängig machen. |
Die Kausalität der Zahlung an den Gesellschafter für die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist ex post zu beurteilen.
Rz. 537
Außerdem hat der BGH entschieden – und das ist in der Praxis wichtig -, dass der Gesellschaft im Fall des § 64 Satz 3 a.F. GmbHG ggü. dem Gesellschafter ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht, obwohl sich das Zahlungsverbot wörtlich nur an den Geschäftsführer richtet. Begründung: Im Sinne des Gläubigerschutzes soll bereits der Mittelabfluss verhindert werden. Nach einer Entscheidung des KG Berlin kommt es für die Beurteilung des Leistungsverweigerungsrechts auf eine Prognose zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Zahlungsanspruchs an, d.h. ob aus der Sicht des Geschäftsführers die Zahlung ohne Hinzutreten weiterer Umstände unmittelbar zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen musste. Das würde sic...