Rz. 365
Entgeltforderungen eines Gesellschafters aus Verkehrsgeschäften mit seiner Gesellschaft können als Gesellschafterdarlehen zu qualifizieren sein, wenn die Forderung aufgrund einer vom Üblichen abweichenden Fälligkeits- oder Stundungsabrede Darlehenscharakter hat. Für diese Abgrenzung werden die Grundsätze zum Bargeschäft nach § 142 InsO herangezogen: bei einem "Stehenlassen" bis zu 30 Tagen erfolgt i.d.R. noch keine Umqualifizierung. Werden die Forderungen eines Gesellschafters aus einem üblichen Austauschgeschäft hingegen über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten rechtsgeschäftlich oder faktisch gestundet, handelt es sich grds. um darlehensgleiche Forderungen. Für den Zeitraum zwischen 30 Tagen und drei Monaten kommt es darauf an, ob die Forderung aufgrund einer vom (markt-)üblichen abweichenden Fälligkeits- oder Stundungsabrede Darlehenscharakter hat, was anhand einer Gesamwürdigung aller Umstände zu beurteilen ist. Die nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Vergleichbarkeit mit Gesellschafterdarlehen wirkt auch steuerrechtlich.
Diese Grundsätze sind selbstverständlich auf die praktisch relevante Fallgruppe der (stehen gelassenen) Gehaltsforderungen des Gesellschafter-Geschäftsführers anzuwenden. In diesem Zusammenhang wurden auch Forderungen aus Altersversorgungszusagen des Gesellschafter-Geschäftsführers diskutiert, denn sie könnten entweder als Schenkung (anfechtbar nach § 134 InsO) oder als stehen gelassenes Entgelt für (frühere) Dienste anzusehen sein. Dann wären diese Forderungen in der Insolvenz der Gesellschaft nachrangig nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und Tilgungen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Sollte die Ruhegehaltszusage durch eine Sicherheit aus dem Gesellschaftsvermögen abgesichert sein, wäre das Werthaltigmachen der Sicherheit innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar. Nun hat der BGH entschieden, dass Ansprüche eines Gesellschafters auf Zahlung eines Altersruhegeldes aus einer bestehenden betrieblichen Altersversorgung keine Forderungen aus Rechtshandlungen darstellen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.
Rz. 366
Vereinnahmen etwa die Gesellschafter von der Gesellschaft Mietzahlungen innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzeröffnung, die nicht innerhalb vertraglich üblicher Fälligkeitsregelungen oder nicht innerhalb der durch verkehrsübliche Gepflogenheiten bestimmten Fristen geltend gemacht bzw. bezahlt wurden, so sind die Zahlungen als Rückzahlungen von Gesellschafterdarlehen nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar. Mehr als 30 Tage "stehengelassene" Pacht wird zur darlehensgleichen Forderung.
Rz. 367
Als Gesellschafterdarlehen mit der Folge des Nachrangs nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind auch Stundungen von erheblichen (Netto-)Lohnforderungen über einen längeren Zeitraum durch einen Arbeitnehmer der GmbH zu qualifizieren, der Gesellschafter zu einem Drittel ist (Nichtdurchsetzen über längeren Zeitraum ist als Stundung zu werten); auf eine Krise der Gesellschaft zur Zeit der Rechtshandlung kommt es nicht mehr an. Gehaltsforderungen des Gesellschafter-Arbeitnehmers, die innerhalb des Bargeschäftszeitraums (bis zu 30 Tage nach Fälligkeit des Lohnanspruchs für vorgeleistete Arbeit) bezahlt werden, sind keine einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen.
Rz. 368
Die Stundung von Kaufpreisforderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus Warengeschäften lässt diese durch "Stehenlassen" zu Gesellschafterdarlehen werden mit der weiteren Folge der Begründung der internationalen Zuständigkeit nach § 22 ZPO.
Rz. 369
Die Stundung einer Forderung, die vom Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG erfasst ist, ist keine Rechtshandlung, die einem Gesellschafterdarlehen entspricht.