Rz. 449

Bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit der abhängigen Gesellschaft ist der entstandene Verlustausgleichsanspruch in der Liquiditätsbilanz nur zu berücksichtigen, wenn der Zufluss innerhalb von max. drei Wochen überwiegend wahrscheinlich ist.

Streitig ist, ob die abhängige Gesellschaft bei erwartbarem Verlust und aktuellem Liquiditätsbedarf bereits vor dem Abschlussstichtag einen Anspruch auf Abschlagszahlungen auf den zu erwartenden Verlustausgleichsanspruch gegen die herrschende Gesellschaft haben kann. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die Diskussion scheint mir jedoch aus folgendem Grund akademisch: Sollte die herrschende Gesellschaft dem Verlangen der beherrschten Gesellschaft nach Abschlagszahlungen nicht nachkommen, kann die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft verpflichtet sein, wegen Zahlungsunfähigkeit den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beherrschten Gesellschaft zu stellen. In diesem Falle geriete die herrschende Gesellschaft über die Verlustausgleichsverpflichtung nach § 302 AktG in die Gefahr, die Insolvenz der beherrschten Gesellschaft (vollständig) alimentieren zu müssen.

Im Rahmen der Zahlungsunfähigkeitsprüfung der herrschenden Gesellschaft ist die Verlustausgleichsverpflichtung als am Bilanzstichtag fällige Verbindlichkeit nach den allgemeinen Regeln zu berücksichtigen.[886] Es kommt also darauf an, ob der Verlustausgleichsanspruch ernsthaft eingefordert ist; maßgeblich für diese Beurteilung sind allein die tatsächlichen Umstände und nicht, dass die Geschäftsführung der beherrschten Gesellschaft evtl. zur Einforderung verpflichtet ist.[887] Sofern dies unter Liquiditätsgesichtspunkten der beherrschten Gesellschaft möglich ist, kann deren Geschäftsführung also – zumindest einstweilen – von der ernsthaften Einforderung absehen. Für eine endgültige Einigung über den Verlustausgleichsanspruch sei auf die vorherigen Ausführungen und insbesondere die dort genannte Entscheidung des OLG München verwiesen. In der Lit. wird teilweise ein Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft zur Zustimmung zu einem reduzierten Verlustausgleich im Rahmen eines Restrukturierungsvorhabens (bei drohender Zahlungsunfähigkeit der herrschenden Gesellschaft bejaht.[888]

[886] OLG Frankfurt/Main, ZIP 2018, 488; Bitter/Berberich, ZIP 2022, 2577 ff.
[888] Kreuz, ZIP 2023, 1673 ff.

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