Rz. 589

Nach ständiger Rspr. des BGH ist das Zulassen oder Veranlassen von Einzahlungen von Schuldnern der Gesellschaft (z.B. Kunden) auf ein debitorisches Konto[1149] der Gesellschaft nach Insolvenzreife etwa dadurch, dass den Kunden noch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit Rechnungen oder Briefbögen mit Angabe des im Soll stehenden Kontos zugesandt worden sind,[1150] verbotene und damit ersatzpflichtige Zahlungen i.S.d. § 64 Satz 1 GmbHG a.F.[1151] Der Geschäftsführer hat aufgrund seiner Masseerhaltungspflicht dafür zu sorgen, dass Zahlungen von Gesellschaftsschuldnern nicht auf ein debitorisches Konto der Gesellschaft erfolgen, weil dadurch aufgrund der mit der Bank getroffenen Verrechnungsabrede die der Masse zustehende Forderung einem Gläubiger (der Bank) zugewendet wird.[1152] Die bloße Möglichkeit, nach Einzug einer Forderung auf dem debitorischen Konto einen zuvor ausgeschöpften Kreditrahmen wieder in Anspruch nehmen zu können, stellt noch keinen kompensatorischen Massezufluss dar. Das gilt grds. auch dann, wenn die Bank im Anschluss tatsächlich Zahlungen aus dem debitorischen Konto wieder zugelassen hat.[1153]

Erforderlichenfalls hat der Geschäftsführer ein kreditorisch geführtes Konto der Gesellschaft bei einer anderen Bank zu eröffnen und den aktuellen Geschäftskunden die geänderte Bankverbindung für ihre Einzahlungen unverzüglich bekannt zu geben.[1154] Dadurch wird m.E. die Anwendung der Vorschrift unverhältnismäßig ausgedehnt, weil Überschuldung oft vom Geschäftsführer (allerdings vorwerfbar) unbemerkt eintritt.[1155]

 

Rz. 590

Nach OLG Hamburg sollte die Vereinnahmung einer Kundenvorauszahlung auf einem debitorischen Gesellschaftskonto nicht masseschmälernd i.S.d. § 130a Abs. 2 Satz 1 HGB sein, wenn diese Vorauszahlung bei pflichtgemäßem Verhalten des Geschäftsführers (etwa Insolvenzantrag oder Mitteilung eines kreditorisch geführten Kontos der Gesellschaft bei einer anderen Bank) nicht mehr zur Masse gelangt wäre und auch vom Insolvenzverwalter nicht mehr hätte beansprucht werden können.[1156] Diese Entscheidung hat der BGH erwartungsgemäß aufgehoben: die Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto führt unabhängig davon, ob die Vorauszahlungsforderung in einem Insolvenzverfahren zugunsten der Gläubiger hätte verwertet werden können, zu einer Masseschmälerung, da hypothetische Kausalverläufe nicht zu berücksichtigen sind.[1157]

[1149] Müller, NZG 2015, 1021 ff.
[1152] BGH, ZIP 2007, 1006 zu § 130a Abs. 3 Satz 1 HGB.
[1153] BGH, ZIP 2015, 1480, 1483.
[1154] BGH, ZIP 2007, 1006 m. Bespr. K. Schmidt, ZIP 2008, 1401 ff.
[1155] Ebenso mit überzeugenden Argumenten kritisch K. Schmidt, ZIP 2008, 1401 ff., und Werres, ZInsO 2008, 1001 ff.
[1156] OLG Hamburg, ZIP 2019, 416 (für einen Fall der Vorauszahlung eines Kunden für von der Gesellschaft später zu erbringende Charterreise).

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