Rz. 63
Der Zustand der Illiquidität muss einen gewissen Zeitraum andauern (Zeitraumilliquidität). Eine aktuell eingetretene Illiquidität stellt dann keine Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 InsO dar, wenn in einem kurzen, absehbaren Zeitraum die Liquiditätskrise überwunden werden kann. Dann liegt Zahlungsstockung und nicht Zahlungsunfähigkeit vor.
Rz. 64
Im Jahr 2005 hat der BGH in dem bereits angesprochenen Haftungsfall nach § 64 Abs. 2 GmbHG a.F. dazu entschieden:
Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu beschaffen. Dafür scheinen 3 Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.
Rz. 65
Somit ist nach der Rspr. des BGH Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 17 Abs. 2 InsO keine Zeitpunkt- sondern eine Zeitraumilliquidität.
Nach jahrelanger Rspr. des BGH ist zu ihrer Prüfung eine Liquiditätsbilanz aufzustellen, die alle im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und binnen 3 Wochen zu erlangenden liquiden Mittel in Beziehung zu den am selben Stichtag fälligen und ernstlich eingeforderten Verbindlichkeiten setzt. Kann die Liquiditätslücke in dem Drei-Wochen-Prognosezeitraum voraussichtlich auf unter 10 % zurückgeführt werden, ist von Zahlungsfähigkeit auszugehen. Dies gilt aber dann nicht, wenn bereits absehbar ist, dass die Lücke danach wieder anwachsen wird.
Rz. 66
Sog. Passiva II
Wegen der vorstehend zitierten, insoweit nicht ganz klaren Formulierung in der BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2005 war darüber diskutiert worden, ob in diese 3-Wochen-Prognose nur die in dieser Zeit zufließenden liquiden Mittel einzubeziehen sind oder auch die innerhalb der nächsten 3 Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten (sog. Passiva II). Hier hat der BGH Klarheit geschaffen: Die in den kommenden 3 Wochen fällig werdenden und eingeforderten Verbindlichkeiten (sog. Passiva II) sind in die Liquiditätsbilanz einzubeziehen. Andernfalls würden der Zahlungsmittelbestand dynamisch, der Bestand der fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten dagegen nur statisch (auf den Stichtag) ermittelt, was einerseits betriebswirtschaftlichen Grundsätzen widerspräche und andererseits die Schuldnerinteressen in unbilliger Weise vor den Interessen der Gläubiger bevorzuge; letzteren komme jedoch nach der gesetzgeberischen Wertung mit der InsO das größere Gewicht zu.
Rz. 67
Abschließender Warnhinweis: Stellt sich die Drei-Wochen-Prognose auch aus der ex-ante-Sicht als falsch heraus, tritt sofort und nicht erst nach Ablauf des Drei-Wochen-Zeitraums Zahlungsunfähigkeit ein. Das ist bspw. im Rahmen der Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsführers nach § 15b InsO zu berücksichtigen (i.E. s.u. bei Geschäftsleiterhaftung unter Rdn 569 ff.).