Rz. 408
Dieser Fall liegt vor, wenn der Darlehensgeber sowohl durch eine Sicherheit der darlehensnehmenden Gesellschaft als auch aus dem Vermögen des Gesellschafters besichert ist. Zwar hat der Darlehensgeber die Wahlfreiheit, welche Sicherheit er in Anspruch nimmt, der von § 44a InsO normierte Zweck bedeutet jedoch, dass die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig zugunsten der Masse zu verwerten ist. Tilgt also eine Gesellschaft ein von ihr selbst und dem Gesellschafter besichertes Darlehen gegenüber dem Darlehensgeber, liegt die für die Insolvenzanfechtung erforderliche Gläubigerbenachteiligung in der Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherheit durch Abfluss der Mittel aus dem Gesellschaftsvermögen, weil der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit verpflichtet ist.
Rz. 409
Bei Doppelbesicherung des Gläubigers durch Sicherheit aus dem Vermögen der Gesellschaft (etwa Grundschuld am gesellschaftseigenen Grundstück) und Sicherheit aus dem Vermögen des Gesellschafters (etwa Bürgschaft) offenbart die Regelung in § 44a InsO jedoch eine – vom Gesetzgeber wohl nicht gewollte – Schutzlücke für den Fall, dass sich der Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft aus der von der Gesellschaft gegebenen Sicherheit (etwa Grundschuld) befriedigt. Es stellte sich die Frage, ob und ggf. aus welcher Norm nun die im Haftungsregime der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a und 135 InsO angelegte vorrangige Haftung des Gesellschafters zu realisieren ist. Vertreten wurden Insolvenzanfechtung nach §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO. ggf. unter analoger Anwendung des § 147 InsO, ein Freistellungsanspruch gegen den Gesellschafter, ein insolvenzrechtlicher, nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB rückabzuwickelnder Verteilungsfehler oder eine Haftung sui generis aus Krisenfinanzierung zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs oder ein Regress beim Gesellschafter im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB. Keine dieser Auffassungen ist unproblematisch. Nach § 129 InsO unterliegen der Insolvenzanfechtung nur Handlungen vor und nicht Handlungen nach Insolvenzeröffnung. Die hierzu ergangene obergerichtliche Rspr. war uneinheitlich. Unterschiedliche Senate des OLG Hamm haben gegen bzw. für die analoge Anwendung der §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO entschieden. Die Ausnahmetatbestände des § 147 InsO dürften nicht analogiefähig sein und eine echte Gesamtschuldnerschaft mit dem Sicherungsgeber (z.B. dem nur bürgenden Gesellschafter) dürfte nicht vorliegen, weil er nicht zugleich Hauptschuldner ist.
Ausgehend vom auch in diesem Fall gegebenen Wahlrecht des Gläubigers, welche Sicherheit er in Anspruch nimmt, hat der BGH die Streitfrage entschieden: Der Gesellschafter ist zur Erstattung des an den Gläubiger ausgekehrten Betrags zur Insolvenzmasse aus §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 Satz 1 InsO analog auch dann verpflichtet, wenn die die gesicherte Forderung aus der Verwertung der Sicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft befriedigt wird. Zur Begründung hat der BGH eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Gesetzeslücke angenommen: es gebe keinen Grund, die Gesellschaft schlechter bzw. den Gesellschafter besser zu stellen, wenn die Sicherheit erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwertet wird. Dem Gegenargument, dass nach § 129 InsO der Insolvenzanfechtung nur Handlungen vor und nicht Handlungen nach Insolvenzeröffnung unterliegen, begegnet der BGH mit § 147 InsO, der zeige, dass dem Gesetz Anfechtungen von Handlungen nach Insolvenzeröffnung nicht grds. fremd seien. Letztlich hat der BGH also das gesetzliche Postulat der Finanzierungsfolgeverantwortung des Gesellschafters auch auf diesen Fall angewandt.
Rz. 410
In demselben Sinne haben die OLG‘e den Fall entschieden, dass der doppelt besicherte Gläubiger anlässlich der Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen innerhalb der Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO einen Verzicht auf die Bürgschaft bzw. der Gesellschaftersicherheit mit dem Gesellschafter vereinbart: Dann bestehe gegen den Gesellschafter ein Anspruch aus §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 InsO, weil der Verzicht nur zwischen Gläubiger und Gesellschafter wirkt und den Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen den Gesellschafter unberührt lasse. Das halte ich für eine nicht zulässige Überdehnung des Gesetzeswortlauts. Die Anfechtung des Verzichts auf die bzw. des Erlasses der Bürgschaft nach § 135 Abs. 2 InsO scheidet aus, weil an ihr die Schuldnerin nicht beteiligt ist. Eine Anfechtung nach § 143 Abs. 3 InsO analog scheidet aus, weil keine planwidrige Schutzlücke vorliegt.
Rz. 411
Die vorbeschriebene Anfechtung nach § 143 Abs. 3 InsO greift auch gegenüber dem die Sicherheit gebenden Gesellschafter, der seine Gesellschafterstellung innerhalb des letzten Jahres vor Insolvenzantrag über ...